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In einer Person

In einer Person

Titel: In einer Person Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Scherz sein. »Übrigens, Nymphe – du
bist nicht in Frankreich, Italien oder Schweden. Du musst besser aufpassen bei
dem Mädchen, das du bumst oder nicht bumst.«
    In dem Augenblick fragte ich mich, ob Kittredge wirklich ernsthaft
um Elaines »Ruf«, wie er es nannte, besorgt war, aber bei Kittredge wusste man
nie, woran man war – häufig merkte man nicht, worauf er mit seinen Bemerkungen
hinauswollte.
    »Ich würde nie etwas tun, was Elaine verletzen könnte«, sagte ich
ihm.
    »Hör zu, Nymphe«, sagte er. »Man kann Leute verletzen, indem man mit
ihnen Sex hat und indem man keinen Sex mit ihnen
hat.«
    »Da ist wohl was dran«, sagte ich zögernd.
    »Schläft deine Mom nackt, oder hat sie was an?«, fragte mich
Kittredge, als hätte er nicht abrupt das Thema gewechselt.
    »Sie hat was an«, antwortete ich.
    »Tja, so sind die Mütter«, sagte er. »Die meisten Mütter
jedenfalls«, ergänzte er.
    »Es ist gleich elf«, warnte ich ihn. »Du solltest nicht zu spät ins
Wohnheim kommen.«
    »Schläft Elaine nackt?«, fragte mich Kittredge.
    Natürlich hätte ich ihm sagen sollen, dass mich meine
Entschlossenheit, nie etwas zu tun, was Elaine verletzen könnte, daran hindere,
Kittredge und seinesgleichen zu verraten, ob sie nackt schlief oder nicht, doch
in Wahrheit wusste ich nicht, ob Elaine nackt schlief. Ich dachte, ich [175]  würde
rätselhaft wirken, wenn ich zu Kittredge sagte: »Wenn Elaine mit mir zusammen
ist, schläft sie nicht«, und genau das sagte ich ihm auch.
    Worauf Kittredge schlicht erwiderte: »Du bist ein Mysterium, nicht
wahr, Nymphe? Ich werd aus dir noch nicht recht schlau, aber eines Tages
durchschaue ich dich, ganz bestimmt.«
    »Du kommst zu spät in dein Wohnheim«, sagte ich.
    »Ich gehe jetzt in die Krankenstation – da soll man sich diesen
Mattenbrand mal ansehen«, sagte er und wies auf seine Wange. Meiner Ansicht
nach war es kein schlimmer Mattenbrand, doch Kittredge sagte: »Ich mag die
Wochenendschwester auf der Krankenstation – der Mattenbrand ist nur ein
Vorwand, um sie zu sehen. Samstagabend ist ein guter Abend, um auf der
Krankenstation zu bleiben.«
    Mit diesem provokanten Schlusssatz ließ er mich stehen – so war
Kittredge. Während er schon dabei war, aus mir schlau zu werden, war ich
umgekehrt bei ihm noch längst nicht so weit. Gab es auf der Krankenstation von
Favorite River wirklich eine »Wochenendschwester«? Hatte Kittredge etwas mit
einer älteren Frau am Laufen? Oder schauspielerte er nur, so wie Elaine und ich
es getan hatten? Tat er nur so, als ob?
    Ich war noch nicht sehr lange in unserer Wohnung, höchstens ein
paar Minuten, als meine Mom und Richard aus dem Kino zurückkamen. (Ich hatte
kaum Zeit gehabt, den gefütterten BH aus meiner
Unterhose zu holen und unter mein Kopfkissen zu stopfen, da rief Elaine an.)
    »Du hast meinen BH , stimmt’s?«, fragte
sie mich.
    [176]  »Was wird aus der Ente?«, fragte ich zurück, doch sie war für so
was nicht in Stimmung.
    »Hast du meinen BH , Billy?«
    »Ja«, gab ich zu. »Es war ein spontaner Entschluss.«
    »Ist schon in Ordnung«, sagte sie. »Du sollst ihn haben.« Ich
erzählte ihr nicht, dass Kittredge mich gefragt hatte, ob sie nackt schlief.
    Dann kamen Richard und meine Mom in mein Zimmer, und ich fragte sie
nach dem ausländischen Film. »Er war abscheulich !«,
rief meine Mutter.
    »Ich wusste gar nicht, dass du so prüde bist«, sagte ich zu ihr.
    »Halt dich zurück, Bill«, sagte Richard.
    »Ich bin nicht prüde!«, sagte meine Mom zu mir. Sie wirkte
übertrieben aufgebracht. Ich hatte nur einen Scherz gemacht und wiederholt, was
ich Elaine zu Kittredge hatte sagen hören.
    »Ich hatte ja keine Ahnung, worum es in dem Film ging, Jewel«, sagte
Richard zu ihr. »Tut mir leid.«
    »Sieh dich doch an!«, sagte meine Mom zu mir. »Du siehst
zerknitterter aus als ein ungemachtes Bett. Ich finde, du solltest dieses
Gespräch mit Billy führen, Richard.«
    Meine Mom ging in ihr gemeinsames Schlafzimmer und schloss die Tür.
» Welches Gespräch?«, fragte ich Richard.
    »Es geht darum, dass du dich bei Elaine vorsehen sollst, Bill«,
sagte Richard. »Sie ist jünger als du – es geht darum, dass du sie schützt. «
    »Reden wir hier von Gummis ?«, fragte ich
ihn. »Die kriegt man nämlich nur in Ezra Falls, und dieses Arschloch von
Apotheker verkauft an Jugendliche keine Kondome.«
    [177]  »Sag nicht ›Arschloch‹, Bill«, sagte Richard, »wenigstens nicht
in Gegenwart deiner Mutter. Willst du

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