In einer Person

du gesehen, wie riesig ein Babykopf ist?«, fragte sie mich.
    Für Kittredge mochte ihr Kreischen wie ein Orgasmus geklungen haben.
Elaine und ich strichen immer noch die Bettlaken glatt, als wir hörten, wie
draußen im Flur des Wohnheims jemand an die Tür klopfte.
    »O Gott, wo ist mein BH ?«, fragte
Elaine; in der Bettwäsche suchte sie ihn vergeblich, aber sie hätte ohnehin
keine Zeit mehr gehabt, ihn anzuziehen. (Sie musste die Tür öffnen.)
    » Er ist es«, warnte ich sie.
    »Natürlich ist er’s«, sagte sie. Sie ging durch das Wohnzimmer
hinaus in die Diele, wo sie sich kurz vor den hohen Spiegel stellte, ehe sie
die Tür öffnete.
    Ich hatte ihren BH auf dem Bett
gefunden; er war in den Mustern der zerknautschten Patchworkdecke versteckt
gewesen, doch ich stopfte ihn rasch in meine Jockey-Unterhose. Meine Erektion
hatte sich komplett gelegt; für Elaines Mini- BH war in der Unterhose mehr Platz als zuvor für meinen Ständer.
    »Ich wollte mich nur vergewissern, dass du wohlauf bist«, hörte ich
Kittredge zu Elaine sagen. »Ich hatte Angst, dass es brennt oder so was.«
    »Es hat zwar gebrannt, aber ich bin wohlauf«, informierte ihn
Elaine.
    Ich kam aus Elaines Zimmer. Sie hatte Kittredge nicht in die Wohnung
gebeten. Einige Jungs aus Bancroft schlenderten im Flur vorbei und spähten
durch die Tür.
    »Du bist also auch hier, Nymphe«, stellte Kittredge fest.
    [172]  Ich sah, dass er auf der Wange eine Wunde hatte, frischen Mattenbrand,
doch der Mattenbrand machte ihn nicht weniger arrogant als sonst.
    »Vermutlich hast du deinen Kampf gewonnen«, sagte ich zu ihm.
    »Das stimmt, Nymphe«, sagte er, wandte den Blick aber nicht von
Elaine. Weil sie ein weißes Hemd trug, sah man ihre Brustwarzen durch den
Stoff, und die dunkleren Höfe um die Warzen – die unaussprechlichen
Brustwarzenhöfe – sahen auf ihrer hellen Haut wie Rotweinflecken aus.
    »Das sieht nicht gut aus, Napel. Wo ist dein BH ?«,
fragte Kittredge sie.
    Elaine lächelte mich an. »Hast du ihn gefunden?«
    »Ich hab nicht besonders eifrig gesucht«, log ich.
    »Du solltest an deinen guten Ruf denken, Napel«, forderte Kittredge
sie auf. Das war eine neue, für Elaine und mich unerwartete Taktik von ihm.
    »Mein guter Ruf ist intakt«, wehrte sich Elaine.
    »Und du solltest auch an ihren Ruf denken, Nymphe«, sagte Kittredge
zu mir. »Ein Mädchen bekommt ihren guten Ruf nicht zurück – du weißt, was ich
meine.«
    »Ich wusste gar nicht, dass du so prüde bist«, sagte Elaine zu ihm, doch ich merkte, dass das Wort Ruf (oder alles, was Kittredge in diesem Zusammenhang unterstellt hatte) sie
wirklich verwirrte.
    »Ich bin nicht prüde, Napel«, sagte er und lächelte sie an. Es war
ein Lächeln, das man einem Mädchen schenkte, mit dem man allein war; ich
merkte, dass Kittredge sie umhaute, ohne dass sie sich dagegen wehren wollte.
    »Ich hab es nur vorgetäuscht, Kittredge!«,
schrie sie ihn [173]  an. »Ich habe nur geschauspielert –
das haben wir beide gemacht!«, rief sie.
    »Das klang aber nicht nach Schauspielerei, nicht durchgängig«,
entgegnete er. »Du musst aufpassen, als was du dich ausgibst, Nymphe«, sagte
Kittredge zu mir, sah dabei aber weiter nur Elaine an, als wäre er mit ihr
allein.
    »Also, wenn du mich entschuldigst, Kittredge, ich sollte meinen BH suchen und anziehen, bevor meine Eltern nach Hause
kommen – du solltest auch gehen, Billy«, sagte Elaine zu mir, wandte aber nie
den Blick von Kittredge. Keiner von beiden sah mich an.
    Es war noch vor elf Uhr, als Kittredge und ich in den Flur im
vierten Stock des Wohnheims hinaustraten; die Bancroft-Jungs, die dort draußen
herumlungerten oder durch die offenen Zimmertüren Kittredge begafften, waren
sichtlich erschrocken, ihn hier auftauchen zu sehen. »Hast du wieder
gewonnen?«, fragte ihn ein Junge. Kittredge nickte nur.
    »Ich hab gehört, das Ringerteam hat verloren«, sagte ein anderer.
    »Ich bin nicht die Mannschaft«, entgegnete ihm Kittredge. »Ich kann
nur meine Gewichtsklasse gewinnen.«
    Wir gingen durch das Treppenhaus hinunter in den zweiten Stock, wo
ich mich von ihm verabschiedete. Um elf musste man im Wohnheim sein – auch
Oberstufenschüler an einem Samstagabend.
    »Vermutlich sind Richard und deine Mom mit den Hadleys unterwegs«,
stellte Kittredge fest.
    »Ja, in Ezra Falls läuft ein ausländischer Film«, sagte ich.
    [174]  »Bumsen auf Französisch, Italienisch oder Schwedisch«, sagte
Kittredge. Ich lachte, doch es sollte kein