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In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

Titel: In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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befanden sich zwei Tiere in seinem Zwinger, der Rottweiler, ein flaumiges Tier, das in Jamies Augen wie ein Persianerlämmchen aussah, und ein fetter Dalmatiner; beide bellten wütend, um Angus auf sich aufmerksam zu machen, während er Hundefutter in zwei große Näpfe schüttete. Angus schloß den Verschlag ab, zog einen kleinen Tabaksbeutel aus der Tasche, zündete seine Pfeife an und nahm einen tiefen Zug, bevor er sich zu Graham und Jamie gesellte. »Ihr beiden habt wohl 'ne ceilidh, wie?«
    »Party kann man das eigentlich nicht nennen«, verneinte Graham. »Jamie ist nicht nach Feiern zumute.«
    »Aye, gut«, sagte Angus, »du hättest deine Anhörung in Carrymuir hammüssn, Junge. In Schottland gibs vor Gericht auch ›schuldig‹ und ›nich schuldig‹ – aber da gibs noch was anneres: ›nich zu beweisen‹.« Er hielt inne und sah Jamie scharf an. »Heißt so was wie ›unschuldig – aber laß dich nich noch ma dabei erwischen‹.«
    Jamie stieß die Schuhspitze in den Dreck. »Dazu wird es wohl kaum kommen«, meinte er leise.
    »Jamie«, versprach Graham, »wir kriegen Sie da raus!« Er grinste. »Und zwar ohne Schottentricks, wenn Sie den Ausdruck verzeihen. Diese Sache soll Ihnen nicht für den Rest Ihres Lebens nachhängen.«
    Der arme Angeklagte lächelte traurig. »Glauben Sie, das ist so einfach?«
    »Aber ja.« Graham löste sich von der Garage und näherte sich Jamie mit der zuversichtlichsten Miene, die er aufsetzen konnte. »Gar kein Problem!«
    Angus sah von Graham zu Jamie und wieder zu Graham. »Knallkopp«, brummelte er. Er richtete sich auf, warf einen langen Blick auf die kläffenden Hunde und ging zurück zum Haus. »Möchtesdu vielleichn winziges Schlückchen, Graham?« rief er über die Schulter. »Nee?« redete er weiter, ohne Graham Zeit zum Antworten zu lassen. »Na, komm einfach ma wieder vorbei, wenn du nich im Büro gebraucht wirs …« Die Fliegentür schlug hinter ihm zu, und Jamie war mit Graham allein.
    »Ich lasse Sie wissen, was ich in Erfahrung bringen kann!« Damit verabschiedete Graham sich, während er die Einfahrt hinunterschritt.
    Jamie ging in Angus' Domizil und setzte sich im Treppenhaus auf die unterste Stufe. Er rieb sich mit den Handballen die Augen und seufzte.
    »Mies drauf, wie?«
    Jamie blickte auf und sah Angus mit einer Flasche Whiskey und einem kleinen Glas vor sich stehen. Angus schenkte das Glas halbvoll und reichte es ihm. »Es ist gerade mal elf Uhr morgens«, wehrte Jamie ab.
    »Das isn ebenso guter Grund wie jeder annere.« Angus setzte die Flasche an den Mund und nahm neben Jamie Platz. »Issie heut viel bei dir?«
    »Wer?« fragte Jamie abweisend.
    »Maggie.« Er tätschelte Jamies Arm. »An manchen Tagen isses schlimmer als an anneren. Wenn ich früher ma so ausgesehen hab wie du jetz, hat Fee mir immer gesagt, ich soll mich zusammenreißn und aufhörn, mein eigenes Grab zu schaufeln, weil sie ganz bestimmt vor mir gehn würde.«
    »Fee?«
    »Fiona. Meine Frau. Is '75 gestorben – genau wie sie immer gesagt hat.«
    Jamie blieb der Mund offen stehen. »Ich wußte gar nicht, daß du verheiratet warst.«
    »Ach,, na ja!« Angus lächelte. »Sie hatte Todesängste davor, allein zurückzubleim. Manchma hab' ich mich nur zu'nem Nickerchen hingesetzt unbin aufgewacht, weil sie mich gepiekt oder mirn Spiegel unter die Nase gehalten hat.« Er lachte. »Schließlich kam's soweit, daß ich geglaubt hab', ich bin wirklich und wahrhaftig tot, wenn ich ma aufgewacht bin und sie nich an mir rumgefummelt hat.« Seine Augen starrten durch die Fliegentür ins Nichts. »Irgendwann hab'dann ich Fee schlafend im Bett gefunden, viel zu spät am Morgen, als daß alles mit ihr in Ordnung sein konnte.« Angus schloß die Augen und dachte daran, wie in jenem Augenblick jenseits der Zeit ihr Gesicht an den Rändern zerflossen war, bis er nur noch das Lächeln des Mädchens sah, das er einst barfuß am Ufer des Dee erblickt hatte.
    Jamie nahm Angus die Flasche ab und schenkte sein Glas voll. Dann reichte er es seinem Onkel und wartete, bis der damit fertig war. »Irgendwie fügt sich schließlich doch alles zusamm«, erklärte Angus und zog sich am Geländer hoch.
    »Wie meinst du das?«
    Angus hielt die Whiskeyflasche gegen das Licht. Jamie betrachtete seinen Onkel durch die hellbraune Flüssigkeit hindurch, die das Gesicht des Alten nicht verzerrte, sondern nur dunklere und düstere Schatten darauf projizierte. »Nach 'ner Weile zählt es nich mehr, daß Maggie und Fee

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