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In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

Titel: In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Gemüse schnitten, Kaffee kochten oder auch aßen –, nahm er vor allem die Stille wahr.
    »Ist Allie schon wieder zurück?« Cam nickte. Seine Mutter hatte ihm den Rücken zugedreht, was sie durchaus nicht daran hinderte, Cam wahrzunehmen. »Das ist doch bestimmt schön für dich.«
    »War es auch«, brummte er. »Ist es auch.« Er ging zurück zum Tisch, um das unberührte Gedeck abzuräumen, das seine Mutter offenbar für ihn bereitgelegt hatte.
    »Ach«, sagte Ellen, über das Spülbecken mit laufendem Wasser gebeugt, »kannst ruhig alles stehen lassen.«
    »Ich habe dir doch gesagt, daß ich nichts möchte«, wehrte Cam sich. »Du hättest nicht für mich decken müssen.«
    Ellen drehte das Wasser ab und trocknete sich die Hände am Geschirrtuch. »Das ist nicht für dich.« Röte stahl sich über ihren Nasenrücken auf die Wangen und löschte dabei die Falten und die Vergangenheit aus, bis Cam ganz deutlich das siebzehnjährige Mädchen erkannte. »Das ist für deinen Vater.«
    Cam schreckte zusammen. »Für Dad?« Er blickte auf die kupfernen Wünschelruten seiner Mutter, die wieder sorgsam verpackt in ihrem gepolsterten Holzkasten lagen. Interesse für spirituelle Phänomene war das eine; Channeling etwas anderes. Er machte den Mund auf, um ihr zu erklären, daß sie sich nicht allzu große Hoffnungen machen sollte.
    »Es ist nicht so, wie du glaubst«, kam Ellen ihm zuvor. »Ich habe mir nur gedacht, falls er vorhat, irgendwann mal vorbeizuschauen, dann kommt er wahrscheinlich direkt zu mir, und sicher während des Essens. Ich tippe auf einen Donnerstag, wenn es Hähnchenpastete gibt.«
    Cam betastete den Rand des Tellersets und stellte sich vor, wie der kräftige Körper seines Vaters den Raum um diesen Stuhl ausfüllte. Er mußte daran denken, wie der Senior alles gesalzen hatte, ohne es erst zu probieren; schließlich briet seine Mutter eines Tages ein Hähnchen mit einer ganzen Schachtel Morton's Salz, um ihm eine Lektion zu erteilen. Er mußte daran denken, wie Ellen ihrem Mann Gemüse auf den Teller gegeben hatte und eine Dampfwolke ihre Haarspitzen ringelte, während Ian eine Hand um ihre Hüfte legte und sie an sich zog.
    »War er schon da?« hörte Cam sich fragen.
    »Nicht, soweit ich weiß«, gab Ellen zu. Sie trat neben den Sohn und legte ihre Hände auf seine, über dem Fransenrand der Tellerunterlage. Im Glanz des Porzellans meinte Cam ihre beiden Gesichter zu sehen und die leichte, Hoffnung verratende Verzerrung. »Aber das heißt nicht, daß er nicht unterwegs ist.«
    Graham öffnete das Päckchen, während Jamie in seinem Büro saß. Es war zerknüllt und angerissen eingetroffen. Jamie vergrub sich nervös zwischen den Armlehnen seines Stuhles, während Graham das vergilbte Klebeband und das braune Packpapier attackierte. »Sie glauben nicht, daß es eine Bombe ist, oder?« fragte Jamie.
    »Es macht kein Geräusch«, sagte Graham, obwohl allein die Vorstellung – eine Bombe, die an ihn für einen Klienten geschickt wurde – so unglaublich dramatisch war, daß er unwillkürlich ein paar Sekunden lang darin schwelgte. Grunzend riß er die letzte Papierschicht auf, und eine ganz gewöhnliche Bibel kam zum Vorschein, wie man sie in einem Hotelzimmer findet. Er überreichte sie Jamie.
    Während er sie über den Tisch hielt, fiel zwischen Umschlag und Vorsatzblatt ein Zettel heraus. Jamie faltete ihn auf und las ihn laut vor.
    Bereuen Sie, stand darauf. Unser liebender Gott wird Ihnen vergeben. Denken Sie an Jesaja 1. 18: »Kommt zu mir, laßt uns gemeinsam bedenken, spricht der Herr: und seien eure Sünden wie Scharlach, so sollen sie weiß wie Schnee sein; und seien sie rot wie Blut, so seien sie wie Wolle.« Ich weiß, daß Sie während der Verhandlung um Vergebung beten werden. Möge diese Bibel Ihre Erlösung einleiten! «
    Jamie knüllte den Zettel in der Faust zusammen. »Ich habe Gott nicht vergeben, daß er Maggie hat krank werden lassen«, grollte er. »Warum, zum Teufel, sollte Ihm was daran liegen, mir zu vergeben«
    Während der nicht endenwollenden Nacht, in der Maggie Jamie gebeten hatte, sie zu töten, mußte er wenigstens fünf Minuten lang geschlafen haben. Zwar konnte er sich nicht entsinnen, eingeschlafen zu sein – er meinte, jedesmal mitbekommen zu haben, wie die Digitaluhr eine Minute weiterschaltete –, doch irgendwann hatte Jamie die Augen aufgeschlagen, war mit der Hand über Maggies Bettseite gefahren und hatte nichts gespürt.
    Er schoß hoch und dachte: Sie ist

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