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In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

Titel: In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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ganz zu schweigen. Jemand sollte Jolly Chicken wegen sexueller Herausforderung verklagen.«
    Sie wartete darauf, daß er noch etwas sagte, etwas wie: Gab es noch einen Grund? oder Und was ist mit mir? Als er es nicht tat, atmete sie tief durch. »Außerdem war ich nicht besonders gut im Hähnchenteilewenden«, ergänzte sie.
    »Nein«, pflichtete Cam ihr bei. »Obwohl wahrscheinlich interessantere Kundschaft vorbeikam.«
    Mia lachte, weil sie an die pickligen Teenager denken mußte, die Geld, klebrige und schmierige Münzen, aus ihren Jeanstaschen klaubten. »Längst nicht so interessant wie die Leute, mit denen du zu tun hast.« Sie legte sich flach auf den Boden, schloß die Augen und bekam gar nicht mit, wie Cams Atem im selben Moment stockte. »Was waren deine merkwürdigsten Fälle?«
    Es gefiel ihr, wieder neben ihm zu liegen, so wie nach der Liebe, und sie würden nun die Worte des anderen so nahe an sich heranlassen wie zuvor den Körper. Sie stellte sich ihren Satz als etwas Greifbares vor, als eine Spinnwebe, die sich um Cam schlang und ihn zu ihr herüberspann. Anschließend würde seine Antwort sie umschnüren und an ihn binden. Das hier hatte sie am meisten vermißt, nicht den Sex oder den Kitzel des Verbotenen.
    Cam zwang sich, neben ihr liegenzubleiben, ohne sie zu berühren. »In meinem ersten Jahr bei der Polizei – noch vor meinem Europatrip – war ich mal der erste bei einem Autounfall auf der Route acht. Der Typ, der seinen Wagen gegen einen Telefonmasten gesetzt hatte, war sechsundvierzig, stocknüchtern und einfach am Lenkrad eingeschlafen. Als ich ihn aus seinem Auto fischte, fing er an, französisch zu sprechen; dann hat er wie ein Baby geweint und sprach wieder französisch. Später kam raus, daß er in seinem ganzen Leben nie die Berkshires verlassen und nie eine Fremdsprache gelernt hatte. Nach ein paar Wochen legte sich der Schock wohl wieder; aber man hat in den medizinischen Fachzeitschriften über ihn geschrieben.
    Und dann war da der Bienenschwarm, der in den Haushaltswarenladen geflogen ist und auf die Kunden losging. Schuld daran war ein Nachbar, der seinen Rasenmäher unter dem Bienenstock angeworfen hatte. Daraufhin wurden die Bienen wild und sind durch die Fenster hinten im Laden und durch die Tore reingekommen. Dreißig Leute wurden gestochen, manche hatten allergische Reaktionen.«
    Mia stützte sich auf einen Ellbogen. »Und in so einem Fall wird die Polizei gerufen?«
    Cam stöhnte. »Die Polizei wird in jedem Fall gerufen.«
    Mia lachte. »Was würdest du nicht für eine Verfolgungsjagd mit dem Streifenwagen geben«, sinnierte sie.
    »Die haben wir auch. Wheelock ist nicht so verschlafen, wie es scheint.« Er zog die Stirn in Falten. »Vor zwei Jahren hat an Halloween jemand auf dem Friedhof eine Leiche ausgegraben und ist mit dem Kopf und dem rechten Arm eines Leichnams verschwunden, der seit dreißig Jahren dort ruhte.«
    »Igitt!«
    »Du sagst es. An manche Sachen gewöhnt man sich nie, selbst wenn man bei der Polizei arbeitet.« Er drehte sich auf die Seite, so daß er Mia direkt ansah. »Eltern erklären zu müssen, daß ihr einziges Kind bei einem Motorradunfall umgekommen ist. Oder eine Tür aufzubrechen und zu wissen, daß dahinter jemand steht, der auf dich schießen wird. Gegen gewisse Waffen kann man sich einfach nicht schützen.«
    Mia stellte sich Cam verletzlich und unter Attacke vor. »Aber das passiert hoffentlich nicht oft«, flüsterte sie.
    Cam blickte Mia an, die nichts von Berettas und Kalibern oder Patronen wußte und ihn doch mit einem Lächeln in die Knie zwingen konnte. »Du würdest dich wundern«, sagte er.
Sehr geehrter Mr. MacPhee,
ich habe im Boston Globe über Sie gelesen und nun das Gefühl, daß ich Ihnen schreiben muß.
Vor drei Jahren geriet mein Bruder in einen Motorradunfall, weshalb ihm ein Bein amputiert werden mußte. Sein Rücken war ebenfalls an mehreren Stellen gebrochen, und er litt über ein Jahr lang Schmerzen, bis er sich am Ende in den Kopf schoß. Ich hörte den Schuß und lief in sein Zimmer. Er stöhnte und wälzte sich herum, sein Gesicht war zur Hälfte zerfetzt. Ohne auch nur nachzudenken, nahm ich die Waffe und gab einen zweiten Schuß auf ihn ab.
Ich habe die gleiche Prozedur durchgemacht wie wahrscheinlich Ihr Klient jetzt. Nach sechs Monate währenden Ermittlungen und einem gräßlichen Medienrummel kam ein medizinischer Gutachter zu dem Ergebnis, daß der erste Schuß Jeff ohnehin getötet hätte.
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