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In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

Titel: In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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gar nicht dran!«
    Als Cam einen Schritt vorwärts machte, hob der Mann, der die Kasse geleert hatte, eine zweite Pistole und richtete sie auf Cams Kopf. »Vielleicht sollten Sie auf ihn hören, he?«
    Cam hob langsam die Hände, während der Kerl hinter der Kasse auf ihn zukam, um ihm seine Waffe abzunehmen. Scheiße Scheiße Scheiße, dachte er. Und dann, aus jedem Zusammenhang gerissen: Aber es ist doch Thanksgiving.
    Der Mann umrundete die Theke, polterte an der Kaffeemaschine mit den Styroportassen, Deckeln und dem Milchtöpfchen vorbei, das derweilen auf Cams schwarze Einsatzstiefel tropfte. Er rutschte aus und landete auf dem Rücken – seine Waffe schlidderte unter das Metallregal mit den Brötchen und dem Brot.
    »Fallen lassen!« brüllte Cam und zielte geistesgegenwärtig auf den anderen Ganoven. Gordo lag auf dem Boden und wimmerte.
    Auf einmal war klar, daß der Kerl den Abzug durchdrücken wollte. Es gab eine Verschiebung in der Luft um ihn herum, dann einen Druckwechsel, der ihm den Brustkorb zusammenpreßte und auf seine Trommelfelle schlug.
    Sein Schuß war in der Schulter des Mannes gelandet und hatte dessen Kugel abgelenkt, die das gehärtete Glas im Schaufenster des Minimarts in ein unordentliches Netzgebilde verwandelte. »Keine Bewegung«, brüllte Cam, als der Komplize auf das Regal mit den Brötchen zurobben wollte.
    Als C. J. eintraf, hatte Cam die beiden bereits Rücken an Rücken gesetzt und mit Handschellen an den Zeitungsstand gefesselt. »Scheiße«, sagte C. J. Er sah Cam von oben bis unten an. »Scheiße«, wiederholte er nachdrücklich.
    »Im Brotgang liegt eine Waffe«, erklärte Cam müde und rieb sich den Nacken. »Der Krankenwagen ist unterwegs.« Er nickte zum Lagerraum hin. »Ich werde ihr Auto beschlagnahmen. Gordo Stuckey kommt nachher aufs Revier, um seine Aussage zu machen«, meinte er. »Sobald er sich umgezogen hat.«
    »Hat er sich vollgemacht?«
    Cam nickte. C. J. stampfte auf die beiden Gefangenen zu. »Ich bringe sie in die Zelle«, versprach er. Er kniete vor dem Verwundeten nieder, der daraufhin ausspuckte. Dann musterte er Cam. »Hast du auf die Schulter gezielt oder dein Ziel verfehlt?«
    Cam schnaubte und ging nach draußen zu seinem Streifenwagen. Es waren nicht mehr als sieben Minuten vergangen.
    Immer noch benommen, begab er sich in sein Büro. Er mußte einen Bericht schreiben, mußte sich für den abgegebenen Schuß rechtfertigen, hatte Millionen Dinge zu erledigen, nur weil diese beiden Nichtsnutze beschlossen hatten, an Thanksgiving seine Stadt unsicher zu machen. Doch statt dessen rief er die Funkzentrale an und erklärte, daß er heimgehen würde und daß C. J. in Kürze mit den Gefangenen einträfe. Er ordnete an, bis morgen früh einen zusätzlichen Teilzeitbeamten einzusetzen, nur falls diese Burschen irgendwo Freunde hatten.
    Dann ging Cam zurück zu seinem Wagen, der hinter der Polizeistation parkte. Er setzte sich hinein und hielt sich mit beiden Händen am Lenkrad fest, weil er plötzlich am ganzen Leib zu zittern begann. Vor seinen Augen hüpfte alles auf und ab, seine Schultern verkrampften sich. Er dachte kurz an daheim, wo fröhlich und in Feiertagslaune lauter Menschen feierten, die er jetzt nicht ertrug. Vorsichtig, fast in Schrittgeschwindigkeit, fuhr er die Straße zum Wheelock Inn hinunter.
    Mia öffnete ihm, und die Katze sprang ihr vom Arm. Als sie über die Schwelle trat, um Kafka wieder einzufangen, merkte sie, daß Cam zitterte, so heftig und unbezähmbar, wie sie es noch nie bei einem erwachsenen Mann erlebt hatte.
    Sie ließ den Kater fallen, der den Gang hinunter und auf die Eismaschine zulief. »Was ist denn los?« fragte sie und zog Cam in ihr Zimmer. Sie rechnete mit dem Schlimmsten. Meine Mutter ist gestorben. Ich habe Krebs. Allie weiß alles.
    Cam sank auf das Bett, und Mia kletterte hinter ihn, um ihn zu wiegen, so gut es bei seiner Größe ging. Er erzählte ihr von der Mitteilung aus der Funkzentrale und wie er auf dem Parkplatz direkt unter ihrem Fenster gewartet hatte, von dem Kriminellen mit dem geflochtenen Zopf und wie Gordo zitternd am Boden gelegen hatte, von dem Milchfleck, der ihm so oft die Schuhe ruiniert und ihm nun das Leben gerettet hatte.
    Als alles gesagt war, schlug Cam die Augen auf. Mia lag ihm gegenüber auf dem Bett, mit angezogenen Beinen, genau wie er. Ihre Arme waren mit seinen verwoben, ihre Füße um seine Fußgelenke gehakt. Er fühlte sich an eines dieser chinesischen Ring-Geduldsspiele

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