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In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

Titel: In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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wenn wir beide an dasselbe denken, dann würde der Wunsch ganz bestimmt in Erfüllung gehen, egal, wer das längere Ende erwischt.«
    »Darf ich raten?« fragte Allie. »Weltfrieden? Ein Lottogewinn?«
    »Wir haben uns immer Kinder gewünscht«, flüsterte Jamie. Er sah zu ihr auf. »Also haben wir wohl beide nicht gewonnen.« Nachdenklich fuhr sein Finger den Knochen entlang. »Wieso nimmt sich Cam an Thanksgiving nicht frei?«
    »Er muß entweder heute oder an Weihnachten arbeiten«, antwortete sie.
    »Oder er nimmt sich beide Tage frei und läßt sich was von seinem Gehalt abziehen.«
    »Aber wer hielte dann Wache?« wandte Allie ein. Sie grinste. »Das ist, als wäre man mit einem Arzt verheiratet. Wenn eine Frau ein Kind bekommt, kann das auch nicht warten, bis Thanksgiving vorbei ist. Das gleiche gilt für Einbrüche, Unfälle und so weiter.«
    »Trotzdem«, sagte Jamie. »Er sollte über dich wachen.«
    Allie lief leicht rosa an. Sie nahm Jamie den Knochen aus der Hand. »Also, wünsch dir was«, sagte sie und faßte nach dem einen Ende.
    Jamie dachte kurz nach. Dann schlang er die Hand um das andere und bog den Knochen ein wenig durch, um die Spannung zu testen. »Hoffen wir, daß die Menschen, nach denen wir uns sehnen, zu uns zurückkehren«, betete er laut. »Und zwar bald.«
    In seinem Streifenwagen hatte Cam das Funkgerät leise gedreht, so daß er den Splitt unter den Reifen knirschen hören konnte, während er durch seine Stadt patrouillierte. Er brauchte sich keine Sorgen zu machen, daß ihm vielleicht ein wichtiger Funkspruch entging; seinen Code bekam er immer mit, ganz egal, wie leise die Stimme des Funkbeamten war. Zum dritten Mal an diesem Abend fuhr er nun an seinem Haus vorbei, sah die Lichter im Eßzimmer brennen und das Leuchten des Fernsehers hinter dem Panoramafenster.
    Thanksgiving war nicht so übel. Weihnachten hielt er für deprimierender; all die alten Leute, die ihre Küche in Brand setzten oder sich aus ihrem Haus aussperrten, nur damit sie jemanden zum Reden hatten, selbst wenn es ein Polizeibeamter war. Das empfand er als das Schlimmste an seinem Beruf: im Gegensatz zu den anderen Einwohnern von Wheelock konnte er nicht so tun, als wäre dies ein friedlicher kleiner Ort in Neuengland. Er wußte, wer seine Kinder mißhandelte, wer seine Frau schlug, wer vor der Grundschule Drogen verkaufte und wer am Mittwochvormittag am ehesten betrunken war. Diesen Ort kannte er wie eine Mutter ihr Kind.
    Als er es leid war, die Main Street abzufahren, bog er auf den Parkplatz vor dem Wheelock Inn ein und schaltete sein Radar an. Er dachte an Mia und fragte sich, ob sie wohl in ihrem Zimmer war, zusammen mit Kafka, ob sie sich an diesem Feiertag irgend etwas vorgenommen hatte.
    Ob sie an ihn dachte.
    Als das Funkgerät knisterte, ließ er den Wagen automatisch anfahren. Das statische Rauschen wich einer Folge von Codes, die er mühelos verstand. Ein Raubüberfall im Minimart, genau jetzt!
    Die Erfahrung machte es ihm keineswegs leichter. Cam trat das Gaspedal durch, raste die Main Street hinunter zu der Tankstelle am Ortsrand und fragte sich währenddessen, ob er die Dreckskerle erwischen würde, ehe sie sich aus dem Staub machten. Das Problem dabei war, daß diese Arschlöcher immer erst schossen und erst später nachdachten.
    Aus naheliegenden Gründen war er ohne Sirene losgefahren und schaltete eine Meile vor dem Minimart auch das Blaulicht aus. Durch die Schaufensterscheibe konnte Cam sehen, wie Gordo Stuckey, der Teenager, der nachmittags meist dort arbeitete, ausgestreckt auf dem Boden lag, während seine Hände im Takt zu seinem Schluchzen zuckten.
    Wo, zum Teufel, steckte der zweite Einsatzbeamte? C. J. fuhr irgendwo herum, und so groß war Wheelock nun auch wieder nicht.
    Er zog seine Smith and Wesson aus dem Halfter, hielt sie auf Armeslänge von sich gestreckt und schlich vorne am Gebäude entlang. Im Verkaufsraum befanden sich zwei Männer, einer übergewichtig und mit einem Minikuchen in der Hand, während er Gordo mit seiner Waffe am Boden festnagelte; der andere schaufelte soeben Geld aus der Registrierkasse in eine Leinentasche mit der Aufschrift ›Freundeskreis der Bücherei Wheelock‹.
    Die Waffe auf den Mann über Gordo gerichtet, zwängte sich Cam durch die Tür. Sie sind zu zweit, sagte eine Stimme in seinem Kopf. Sie sind zu zweit, aber du weißt nicht, ob der zweite eine Waffe hat, und C. J. ist unterwegs.
    »Waffe runter«, bellte Cam.
    Der Mann lachte. »Ich denk ja

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