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In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

Titel: In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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erinnert, die man erst nach Stunden auseinander bekam. Du brauchst es gar nicht zu versuchen, dachte er. Du brauchst es gar nicht erst zu versuchen.
    Jetzt, wo die Angst vorüber war, kam ihm sein Körper zu groß für seine Haut vor. Er rollte Mia auf den Rücken und küßte sie, preßte sich auf sie und schob seine Zunge in ihren Mund. Es war nicht das zärtliche Liebesspiel, das er mit ihr sonst betrieb; es war schnell und zornig, so wie bei Allie, und irgendwo im Hinterkopf stellte er fest, wie leicht nach gewissen Gefahren die Grenzen überschritten wurden.
    Er kam nicht dazu, sein Hemd auszuziehen. Mia spannte sich um ihn herum an, streichelte sein Haar und rutschte näher, bis ihr gemeinsamer Rhythmus in ein langsames Wiegen überging. Im allerletzten Augenblick zog er sich aus ihr zurück und ergoß sich über die sauberen weißen Laken des Bettes.
    »Tut mir leid«, entschuldigte er sich.
    Mia lächelte ihn an. »Man stelle sich vor: ein Bulle, der nicht an Vorbeugung denkt!«
    Er strich die Locken aus ihrem Gesicht. »Du hast mir gefehlt«, sagte er. Dann küßte er ihren Hals und rutschte ein winziges Stückchen von ihr weg. Sein Finger senkte sich, um ein wütendes Mal auf ihrer Brust nachzuzeichnen, eine Vertiefung, die seine Polizeimarke in ihre Haut gedrückt hatte.
    Mia setzte sich auf und ging ins Bad. Sie starrte auf die Schwiele. »Es tut nicht weh«, versicherte sie ihm. »Das geht wieder weg.« Aber während der gesamten drei Stunden, die Cam in ihrem Zimmer war, blieb die Stelle wund und rot: während sie sich ein zweites Mal liebten und während des langen, heißen Bades in der Wanne. Schließlich zog sie, bevor er ging, ihren dicken grauen Pullover wieder an; als könnte sie die Stelle dadurch ausmerzen und sie beide vergessen lassen, daß er sie so als sein Eigentum zu brandmarken versuchte.

 
     
    Einmal hörte ich, wie in einem Bus ein Mädchen sagte, dieser Typ sei ihr einfach unter die Haut gegangen. Ich fand das eine bemerkenswerte Vorstellung – daß jemand einen so tief berührt, daß er fortan ein Teil von einem ist.
    Der Ausdruck ist mit einem Bild verbunden: etwas Flüssiges und Warmes, das vom Herzen ausströmt und, vom Blut getragen, bis in die Fingerspitzen und Zehen vordringt.
    Dieses Mädchen im Bus sagte, sie könne nicht aufhören, von diesem Mann zu träumen. Sie sagte, wenn sie ihm nicht begegnet wäre, wäre sie nicht der Mensch, der sie jetzt war.
    Und die Haut, sagte sie.
    Das gab mir zu denken.

13
     
    Graham MacPhee hatte über zehn Minuten gebraucht, ehe er den Mut aufbrachte, den Polizeichef anzurufen. Zehn Minuten, in denen er mit den Händen über seine teuren Hosen gerieben und immer wieder Hannahs Stimme am Telefon gelauscht hatte, nur um gleich wieder aufzulegen. Es waren keine zwei Monate mehr bis zur Verhandlung und damit auch zur Zeugenbefragung. Cam würde von der Anklage in den Zeugenstand gerufen – daran gab es keinen Zweifel –, doch Graham wollte nichts dem Zufall überlassen. Wenn er wenigstens einen Fuß in die Tür bekam, könnte er Cam nach seinem Cousin aushorchen. Jeder gute Anwalt wußte, daß man nicht einmal im Kreuzverhör Fragen stellte, auf die man die Antwort nicht bereits kannte.
    »MacDonald!« Cams Stimme klang so ungeschliffen und kantig wie der ganze Mann.
    »Chief, hier ist Graham MacPhee.« Er atmete tief durch. »Ich würde gern wissen, ob Sie ein paar Minuten Zeit für mich hätten.«
    Cam blieb eine Sekunde lang still. »Geht es um das, was ich glaube?«
    Graham nickte, ehe ihm einfiel, daß Cam ihm nicht sehen konnte. »Um Jamies Fall«, bestätigte er.
    »Nicht in diesem Leben«, wehrte Cam ab und legte auf.
    Nun, das war zu erwarten gewesen. Graham seufzte, kippelte mit dem Stuhl nach hinten und legte die Füße auf den Schreibtisch. In einer Situation wie dieser spielten sich Polizei und Staatsanwaltschaft stets die Bälle zu.
    Normalerweise hätte ihn das nicht gestört. In Wahrheit besaß er Kopien von Jamies Verhaftungsprotokoll und von den Notizen, die sich der Chief nach Jamies Ankunft in der Stadt gemacht hatte. Er besaß eine Aufstellung aller am Tatort gefundenen Beweismittel. Wie auch immer, Audra Campbell hatte ihm dankenswerterweise sogar ein Duplikat der Polizeiakte aus Wheelock überlassen.
    Ihm fiel wieder ein, wie Cam ihn einmal, als er noch auf der High-School war, beim Feiern auf einer Baustelle erwischt und eingesperrt hatte. »Fick dich«, begehrte er immer wieder auf, während Cam ihm Handschellen

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