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In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

Titel: In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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und weich, und er kannte jeden Knochen, jede Linie darin. Sie fühlte sich ganz anders an als Mias Hand vor wenigen Augenblicken. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß sie besser sind als deine Sachen«, wandte er ein.
    »Oh«, deutete Allie an, »wart's ab!«
    Cam verlagerte sein Gewicht auf den anderen Fuß. Diese Fremde war nach Wheelock gekommen und hatte an einem einzigen Tag Allie bezaubert und sich in sein Haus vorgearbeitet. Instinktiv spannte er sich an, denn es entging ihm nicht, daß er in der Nähe dieser Frau jedesmal eine gewisse Unruhe empfand, eine unbestimmte Ahnung, daß sie sich nicht zu Hause in ihrer Haut fühlte. Und die nagende Frage, ob er schon einmal mit ihr gesprochen oder sie gesehen hatte oder irgendwann einmal in ihrer Nähe gewesen war.
    Plötzlich sprang Mia auf. »Mein Kater«, erklärte sie. »Ich glaube, ich habe ihn oben im Bad vergessen.« Ihr Blick zuckte zur Decke hoch. »Wahrscheinlich hat er inzwischen den Duschvorhang in Fetzen gerissen.«
    Allie lachte. »Du frühstückst erst mal. Ich gehe ihn holen.«
    Mia blieb noch einige Sekunden stehen, nachdem Allie verschwunden war. Dann lächelte sie Cam unsicher an und setzte sich wieder.
    Cam beobachtete, wie sie Milch über ihre Flocken goß. Sie schob die Cornflakes an den hinteren Schüsselrand, wie er es bei den Engländern gesehen hatte, wenn sie Suppe aßen. »Wie heißt der Kater denn?« fragte er in einem Friedensangebot.
    »Kafka.« Mia sah nicht auf.
    »Kafka?« wiederholte Cam fröhlich.
    Sie nickte. »Er wäre alles lieber als eine Katze.«
    »Wieso das denn?« Cam merkte, wie er sich unwillkürlich vorbeugte.
    Mias dunkelblaue Augen blickten direkt in seine. »Als wir zusammen in Indien gelebt haben, hat er sich für eine Kuh gehalten. Er ist vor den Autos über die Straße spaziert und hat Muhen gelernt. In Paris hat er mal auf einem Fensterbrett einen Finken gefangen und ist losgesprungen, weil er glaubte, er könne fliegen.« Sie zog eine Schulter hoch. »Man weiß nie, was ihm als nächstes in den Sinn kommt.«
    »Nein«, sagte Cam. Jetzt fing er ihren Geruch auf, wie sauberer Regen, kein bißchen wie das Duschgel aus dem Bad oben. Jamie MacDonald war aus seinen Gedanken verschwunden; er sah nur noch vor sich, wie Mia durch die Straßen jener Städte wanderte, von denen er sein ganzes Leben lang träumte. »Sie haben in Indien gelebt? Und in Paris?« Als sie ihm nicht antwortete, beugte er sich weiter vor. Wenn er den Daumen bewegte, würde er über ihr Handgelenk streichen. Er wollte ihr die Frage stellen, die ihm seit gestern im Hinterkopf herumspukte. »Kenne ich dich?« flüsterte er.
    Mia hörte Allies Schritte auf der Treppe und Kafkas kräftiges Miauen in ihren Armen. Sie wandte sich von Cam ab und schwieg. Ja , sagte sie zu sich selbst. Vielleicht schon.

4
     
    Als Cam später an diesem Morgen seinen Dienst antrat, saß sein Onkel Angus im Bademantel bei Jamie MacDonald in der Zelle und spielte mit ihm Schach.
    »Um Gottes willen«, murmelte Cam, während er die Tür aufschloß. »Angus, was tust du da drinnen?« Er sah sich nach Casey MacRae um, dem Streifenpolizisten, der den Gefangenen bewachen sollte.
    »Ich hab Casey gesagt, daß ich ihn ablös«, erklärte Angus. »Den klein Jamie hab ich nicht mehr gesehn, seit er sieben war.«
    Cam schob seine Mütze nach hinten. Er sah Jamie MacDonald an. »Gut geschlafen?«
    »Nein«, gestand Jamie. »Und du?«
    Cam drehte ihm den Rücken zu und blätterte im Gerichtsbuch, in der innigen Hoffnung, Jamie MacDonald noch vor dem Mittagessen einem Haftrichter vorführen zu können.
    »Was tust du hier, Angus?« seufzte Cam. »Und komm aus der Zelle, verdammt noch mal. Ich kann dich nicht mit einem Gefangenen da drin lassen.«
    Angus zog grummelnd den Gürtel seines Bademantels enger, erhob sich aber von der Betonpritsche, die als Sitz und zugleich als Bett diente. »Junger Cam«, mahnte er, »ich glaub nich, daß du so mit den Clansältern sprechen solls.«
    Cam konnte es gar nicht leiden, wenn sein Onkel ihn ›junger Cam‹ nannte, so als wäre er immer noch ein Dreikäsehoch und der alte Cameron MacDonald nicht seit zweihundert Jahren tot. Er deutete auf Angus' durchnäßte Pantoffeln. »Du kommst im Schlafanzug daher, läßt dich mit einem Mörder einschließen und kannst nicht begreifen, wieso ich jemanden beauftragen will, der sich tagsüber um dich kümmert?«
    Angus trat aus der Zelle. »Ich will nich, daß so'n grüner Junge mir sagt, wie ich am Morgen mein

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