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In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

Titel: In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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fröhlich abwärts segelten.
    »Scheiße«, murmelte er und sorgte mit einem Tritt für weitere Unordnung. Er ging den Korridor hinunter und stand unvermutet dem Chief der Polizei gegenüber.
    »Wo ist Ihr Vater?« fragte Cam augenblicklich und sah dabei aus dem Fenster. »Ich muß mit ihm reden.«
    Graham beobachtete, wie der Mann ungeduldig seine Dienstmütze malträtierte. »Vor Gericht«, informierte Graham ihn. Er richtete sich zu voller Größe auf. »Was kann ich für Sie tun?«
    Cam starrte Graham an, der sich bestimmt vor Angst fast in die Hosen machte, nur weil er mit ihm im selben Raum sein mußte. Als Graham achtzehn war, hatte Cam ihn und seine Freunde auf der Baustelle eines Hauses erwischt, wo sie Bier tranken und auf die frisch zementierte Treppe pinkelten. Er hatte ihm die Fingerabdrücke abgenommen, ihm seine Rechte vorgelesen und ihn eingesperrt, um ihm ein bißchen Verstand einzubleuen; doch den Verhaftungsbericht hatte er nie ausgefüllt.
    Graham räusperte sich. »Brauchen Sie irgendwas, Chief?« Cam nickte knapp und legte dann den Kopf schief, als wollte er sich darüber klar werden, wie fähig Graham wohl war. »Gehen wir in Ihr Büro«, sagte er und steuerte durch den Gang auf einen Raum zu, in dem sie ungestört waren.
    Graham dachte an die auf dem Boden verstreuten Papiere, an die Angelzeitschrift und den Walkman, der fett und breit auf seinem Schreibtisch lag. »In den Konferenzraum!« Er lotste Cam nach links.
    Cam machte sich nicht mal die Mühe, Platz zu nehmen. »Sie wissen Bescheid über den MacDonald-Mord«, meinte er und deutete auf einen Stuhl, auf den sich Graham setzen sollte. Graham sah ihn vor dem Eichentisch auf und ab wandern, lauschte seiner Stimme, die den Raum bis in die letzte Ecke ausfüllte, und begriff, daß Cameron MacDonald im Gerichtssaal eindeutig etwas hermachen würde.
    »Ich habe so dies und das gehört«, hielt sich Graham bedeckt.
    Cam ließ seine Mütze auf die glatte Tischfläche klatschen. »Der Kerl muß einen Anwalt bekommen.«
    Graham runzelte die Stirn. »Er hat uns beauftragt?«
    Cam schüttelte den Kopf. » Ich beauftrage Sie mit seiner Verteidigung und zahle das Honorar persönlich. Zum Ausgleich lassen Sie kein Sterbenswörtchen darüber raus, wer Ihren Klienten unterstützt – nicht Ihrem Vater gegenüber, nicht dem Richter gegenüber, nicht meiner Frau gegenüber. Ihr Job ist es, ihn vor den Geschworenen aussehen zu lassen wie Mutter Teresa.« Er atmete tief ein, und als er Graham wieder ansah, glaubte Graham beinahe, Angst im Blick des Chiefs zu erkennen. »Holen Sie ihn vom Haken«, ergänzte er leise.
    Graham starrte Cam an. »Und was werden Sie tun?« fragte er.
    Cam nahm seine Mütze. »Ich werde ihn wegen Mordes vor Gericht bringen«, sagte er, »und Ihnen das Leben so schwer wie möglich machen.«
    Als Cam nach dem Gespräch mit Graham MacPhee nach Hause kam, war die Haustür unverschlossen.
    Er wußte, daß Allie sich im Laden befand, weil er eben mit ihr gesprochen hatte. Es handelte sich ganz eindeutig um einen Einbruch. Er zog die Waffe aus dem Halfter und eilte ins Innere, sich nach links und rechts absichernd, so wie er es gelernt hatte. Wilde Spekulationen begannen in seinem Kopf zu wuchern: Jamie MacDonald gehörte zu einem Drogenring; der Mord war eine Tarnung für viel schrecklichere Verbrechen; in genau diesem Augenblick stand jemand in seinem Schlafzimmer, wo er Manschettenknöpfe, Haarflusen und Teppichfasern stahl, die Cam später belasten sollten.
    Eine gründliche Durchsuchung des Erdgeschosses ergab nichts. Er schlich die Treppe hinauf, schleuderte in der vollen Erwartung, einen Halunken in seinen Schubladen wühlen zu sehen, die Schlafzimmertür auf und richtete die Waffe auf das Bett. »Polizei!« brüllte er mit trockener, pochender Kehle.
    »Oh!« Mia Townsend erbleichte und erstarrte beim Anblick der Waffe. »Jesus!«
    Cam sicherte die Pistole und rammte sie wieder in den Halfter. »Scheiße!« bellte er und war mit zwei Schritten neben ihr. »Ich hätte Sie umbringen können. Ich hätte Sie umbringen können!« Er packte sie an den Schultern, schüttelte sie und preßte zwischen zusammengebissenen Zähnen heraus: »Was, zum Teufel, tun Sie hier?«
    Mias Zähne klapperten. »Ich wollte nach der Katze schauen«, sagte sie und fing an zu weinen.
    Sie hatte noch nie in die Mündung einer Waffe geblickt; aber warum kam Cam auch mitten am Tag heim? Andererseits schnüffelte sie im Schlafzimmer herum, obwohl sie hier nichts

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