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In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

Titel: In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Augen die seinen. Cam wußte nicht genau, ob er Enttäuschung darin las oder Respekt.
    »Euer Ehren!« Graham räusperte sich. »Mein Klient ist ein untadeliges Mitglied seiner Gemeinde. Er hat nie auch nur einen Strafzettel kassiert, ist Mitglied der Handelskammer, wurde dreimal in den Magistrat von Cummington gewählt. Da er in keiner Weise eine Bedrohung für die Gemeinde Wheelock darstellt, sind wir der Ansicht, daß er ohne Kaution auf freien Fuß gesetzt werden sollte, vorausgesetzt, er bleibt bis zur Verhandlung in unserer Gegend.«
    Martha rieb sich die Schläfen und überflog nochmals die Papiere vor sich. Natürlich hatte sie schon gestern von diesem Fall gehört; sie hatte sogar darauf gewartet, daß er heute in ihrem Gerichtssaal zur Sprache käme. Sie wußte, was Cam vorhatte; aber auch, was er vor sich hatte. Alles in allem bezweifelte sie, daß er Jamie MacDonald wirklich in seinem Gefängnis haben wollte, trotz seiner ungeheuren Kautionsforderung.
    »Die Kautionsbedingungen ergehen wie folgt«, sagte sie. »Mr. MacDonald wird bis zur Verhandlung das Gebiet der Gemeinde Wheelock nicht verlassen; und er ist verpflichtet, sich täglich außer sonntags vor zwölf Uhr mittags bei Chief MacDonald in der Polizeistation zu melden.« Sie faßte über ihre Halbbrille hinweg die kleine Gruppe vor ihrem Tisch ins Auge. »Die Summe«, verkündete sie, »wird auf fünf Dollar festgesetzt.«
    Cam blieb noch im Gerichtssaal, nachdem Jamie und sein Anwalt gegangen waren. Er setzte sich hinter den Tisch der Anklage, streckte die Füße aus, visierte den Adler über dem Richtertisch an und kniff die Augen zusammen, um das Motto lesen zu können.
    Daß er Jamie MacDonalds Hüter spielen sollte, hatte ihm gerade noch gefehlt.
    Zum Teufel mit dieser Martha Sully!
    Mit einem Seufzer stand Cam auf und verließ das Gericht. Im Revier gab es hundert Dinge zu erledigen, Bürokram, der während der Hektik der vergangenen zwei Tage liegengeblieben war. Außerdem mußte er mit Allie reden. Er hatte sie heute nachmittag noch nicht gesehen. Als er Mia beim Laden ablieferte, fanden sie lediglich einen Zettel an der Türe, daß Allie in Kürze zurück sein werde.
    Am Fuß der Treppe sah er Jamie vor dem Büro des Kautionsbewahrers stehen und mit jemandem sprechen. Er spielte mit dem Gedanken, einfach an ihm vorbeizugehen, begriff dann aber, daß der das falsch auffassen könnte. Also holte er tief Luft und ging auf ihn zu.
    »Fünfzigtausend Dollar?« sagte Jamie.
    Cam öffnete den Mund, um ihm zu antworten, und bemerkte in diesem Moment, mit wem Jamie gesprochen hatte. Allie schob eben ihr Portemonnaie zurück in die Handtasche, nachdem sie offenbar die lächerliche Kaution für Jamie ausgelegt hatte. »Also wirklich, Cam«, tadelte sie und lächelte dabei zu ihm auf.
    Ihr herzförmiges Gesicht war von der Kälte gerötet, und ihre Zunge fuhr hektisch über die Lippen. Das Haar floß ihr über die Schultern und verfing sich hier und da in ihrem Mantelkragen.
    Innerhalb einer Stunde würde ganz Wheelock wissen, daß Cam fünfzigtausend Dollar Kaution gefordert hatte, die dann auf fünf Dollar festgesetzt und von Allie beglichen worden war. Unwillkürlich überlegte er, wie hoch sie wohl gegangen wäre. Hundert? Fünfhundert? Fünftausend?
    Sie schob ihre Hand durch seinen Arm, und er merkte, wie bei ihrer Berührung sein Zorn erkaltete. »Jamie wird bei Angus wohnen«, sagte sie, als legte sie die Tischordnung bei einer Dinnerparty fest. Sie lächelte Jamie zum Abschied zu und schob Cam nach draußen.
    Sie waren beide mit ihrem Wagen da, deshalb blieben sie auf dem Parkplatz stehen, die Hände wegen der viel zu frühen Kälte in die Taschen gestopft, wie zwei Boxer, die sich mißtrauisch taxierten. »Allie«, sagte er, »ich muß wissen, weshalb du hier warst.«
    Allie starrte ihn an, als könnte er eine ganz neue Welt für sie erschaffen, ja, hätte das bereits getan. Er mußte an Mia denken und bekam plötzlich keine Luft mehr. »Aber Cam«, sagte Allie mit aufrichtiger, tröstender Stimme: »Ich bin deinetwegen gekommen.«

 
     
    Es gibt so viele Fragen, die ich noch gern gestellt hätte:
    Siehst du immer noch so aus wie damals? Hätte das überhaupt etwas zu bedeuten?
    Denkst du an mich, wenn du es am wenigsten erwartest während du einen Gartenschlauch entrollst oder dein Gesicht der Dusche entgegenstreckst oder wenn du mit jemand anderem im Bett liegst? Und kannst du es dabei belassen, oder mußt du dann zwanghaft all deine

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