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In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

Titel: In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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auf seine Brust und ihre Arme um ihn, atmete seinen Duft und sein Schweigen ein, folgte – wie immer – seinem Beispiel.
    Cam saß auf dem Hocker im Café der Stadt und zerbröselte sein Muffin. Er spießte die Krümel auf dem Finger auf, denn eigentlich mochte er keine Blaubeeren; doch die Alternative wäre ein Doughnut gewesen, die zu verzehren er seinen Beamten während der Dienstzeit untersagt hatte, damit sie sich nicht leichtfertig zum Gespött der Gemeinde machten.
    »Möchtest du noch was?« Jenny war eine Cousine dritten Grades und Serviererin im Café.
    »Danke, ich bin satt«, sagte er und ließ sie zu einer der vier Sitzgruppen an der Wand weitereilen. Er warf einen Blick auf die neben einem ausgestopften Keilerkopf hängende Uhr und lehnte sich zurück. Noch zehn Minuten, bis seine Schicht begann.
    Allie würde am übernächsten Tag abreisen, und irgendwie war das eigenartig. Zwar hatte er während ihrer Ehe schon öfter ohne sie auskommen müssen, aber nie, weil sie die Trennung veranlaßt hatte. Einmal nahm er in New Braintree an einem Lehrgang teil, das andere Mal lag er nach einer Knieoperation im Krankenhaus. Beide Male war Allie daheimgeblieben, um die Stellung zu halten.
    Sie hatte ihm bereits eine Liste für seine Einkäufe im Supermarkt und für all das geschrieben, was sie normalerweise erledigte. War es wirklich möglich, daß er in fünf Jahren nicht mitgekriegt hatte, wie die Geschirrspülmaschine bedient wurde?
    Er fragte sich, wie, zum Teufel, Jamie MacDonald sie dazu veranlassen konnte, Wheelock freiwillig zu verlassen.
    Cam starrte auf seine Liste und dachte an die andere Aufstellung, die Allie heute morgen für Mia verfaßt hatte, als er das Haus verließ. Die war doppelt so lang. Er hatte sich schon bereit erklären wollen, sie im Laden abzugeben, als ihm einfiel, daß Allie natürlich selbst in ihr Geschäft gehen würde.
    Das Läuten der Schlittenglocken kündigte wie zu jeder Jahreszeit an, daß die Cafétür geöffnet wurde. Als hätte Cam sie mit seinen Gedanken herbeibeschworen, trat Mia an die Theke.
    »Hi!« sagte er.
    Sie erstarrte, als sie seine Stimme hörte, und drehte sich dann mit einem schüchternen Lächeln zu ihm um. »Hi.«
    Er deutete auf den Hocker neben seinem, sie setzte sich und nahm die Tasse Kaffee entgegen, die Jenny vor sie hinstellte. Nachdem sie mit geschlossenen Augen einen langen Schluck genommen hatte, blickte sie auf den Zettel in Cams Hand. »Wir werden also beide zu Waisen«, sagte sie.
    Cam wedelte mit dem Zettel vor ihr herum. »Ich habe viel weniger Aufgaben als du«, neckte er.
    »Dann gebe ich dir was von meinen ab«, erwiderte sie. »Willst du lieber Dünger kaufen oder die Kunden mit den ausstehenden Rechnungen anrufen?«
    »Oh«, lachte Cam. »Ich nehme die ausstehenden Rechnungen. Im Drohen bin ich Experte!«
    Sie lachten gleichzeitig los, und er senkte die Stimme, einzig und allein, um ihr silbernes Entzücken zu hören. Er starrte sie an, wohl wissend, daß er das nicht tun sollte – am allerwenigsten im Café, der Brutstätte für Klatsch in der Gemeinde. Leider war er seinem Verlangen hilflos ausgeliefert.
    Er sehnte sich danach, ihr Haar zu berühren. Himmel, wie er sich danach sehnte!
    Sie riß ihren Blick los, um auf ihre Armbanduhr zu schauen. »Ich muß gehen«, sagte sie.
    Cam sprang von seinem Hocker. »Ich auch.« Er zögerte, weil er nicht genau wußte, wie er sich ausdrücken sollte. »Falls du in den nächsten Tagen irgendwas brauchst«, setzte er an, hielt aber inne und beobachtete, wie Mia ihre magere Barschaft von zwei Dollar auf der Theke zurückließ. »Mia«, sagte er, als sie schon auf dem Weg zur Tür war. »Du hast gerade hundert Prozent Trinkgeld gegeben.«
    Sie zuckte mit den Achseln. »Hm … ich habe immer ein schlechtes Gewissen, wenn ich nur Kaffee trinke … war selber mal Bedienung.«
    »Wo?«
    Mia sah ihn eine Sekunde lang an und ging dann durch die Tür. Er folgte ihr und hielt auf der Straße mit ihr Schritt. »1986 in Italien«, antwortete sie schließlich. »In einem Café bei der Rialtobrücke. Es hieß La Mano del Diavolo, Hand des Teufels.«
    Cams Füße verweigerten ihm den Dienst. Mia ging weiter, doch er konnte keinen Schritt mehr gehen. Er hatte in Venedig auf dieser Brücke gestanden und in der Ferne das kleine Café gesehen. Lebhaft erinnerte er sich an die lila gestreiften Schirme und die schmiedeeisernen Stühle an den Marmortischchen.
    Doch er war nicht eingekehrt, da er sich bereits auf dem

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