In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)
»Ich liebe dich auch«, sagte er.
Mia erstarrte. »Wirklich?«
Cam nickte. Er fühlte sich schwach und wußte nicht, ob das von dem blauen Flieder und den Ringelblumen kam, die in jeder Ecke zu stehen schienen, oder daher, daß er – in einem Augenblick – sich in jemanden verwandelt hatte, den er nicht mehr kannte. »Gott helfe mir«, wiederholte er, »aber ich liebe dich.«
Mia legte ihre Hand, leicht und kühl, in seinen Nacken. »Gott hat nichts damit zu tun«, mahnte sie leise.
Morgens drängten sich im Sunny Side Up, dem Café im Ort, auf ihren festen Stammplätzen die Einheimischen, die dem Koch nur zuzunicken brauchten, um ihre Bestellung aufzugeben. Ab und zu kehrte auch Cam dort ein. Er war selten so hungrig, daß er mehr als einen Kaffee trank, denn Allie bereitete ihm luden Morgen ein reichhaltiges Frühstück; doch dort erfuhr man, welcher Teenager am ehesten nach der Schulabschlußfeier die Tribüne in Brand setzen würde und wessen Frau in letzter Zeit eine Sonnenbrille trug, um ihr blaues Auge zu verstecken.
Seit Allie fort war, gab es allerdings nur noch kalte Cornflakes zum Frühstück. Darum kehrte Cam in dem Café ein und bestellte sich Rührei mit Speck. Nach zwei Minuten stand sein Frühstück vor ihm, glibberig und übelriechend.
Cam sah zu Vera auf, der Bedienung am Vormittag. »Das ist kaum zu glauben«, sagte er. »Ich habe noch niemanden so schnell Eier braten sehen.«
Geringschätzig winkte sie ab. »Er will Eindruck bei dir schinden«, sagte sie. »Erschrick nicht, wenn noch Schalen drin sind.«
Cam breitete die Papierserviette über seinen Schoß und hob die erste Gabel voll Ei an seinen Mund. Die Eier schwammen in der Tat halb roh im Fett, so wie Allie sie nie im Leben auf den Tisch gebracht hätte. Er nahm seine Kaffeetasse, ließ seinen Blick durch das Restaurant schweifen und versuchte, dem Puzzle von Gesichtern, denen er zunickte und lächelte, die richtigen Namen zuzuordnen. Hinten an der Wand saß Elizabeth Fraser aus der Kinderbücherei mit ihrem drei Wochen alten Baby Wheelocks jüngstem Bürger. Am Fenster zur Straße saß Joshua Douglas, ein neunjähriger Junge und äußerst wohlerzogen und brav, soweit Cam bekannt war, aber trotzdem sollte er nicht allein im Café frühstücken. Er nahm sich gerade insgeheim vor, einmal bei der Familie Douglas vorbeizuschauen, als der Mann zu seiner Linken sich verabschiedete, seinen Hocker an der Bar verließ und Cam freie Sicht auf Jamie MacDonald eröffnete, der eben seine Zeitung sinken ließ.
Jamie erwiderte ungerührt seinen Blick. »Chief MacDonald«, begrüßte er ihn.
Cam schnaubte und nahm einen Schluck Kaffee.
»Schmeckt's?« fragte Jamie freundlich.
Cam schluckte. »Nicht mehr«, sagte er. Er starrte auf seinen Teller und fragte sich, was ihn eigentlich an Jamie MacDonald so störte. Ständig hatte er mit Kriminellen zu tun, von denen einige wesentlich gefährlicher waren als Jamie; doch dieser Mann machte ihn nervös. Vor allem jetzt, wo die Sache mit Mia angefangen hatte. Cam konnte dem Mann, der vor Gericht stand, weil er seine Frau umgebracht hatte, nicht in die Augen sehen, ohne daß er irgendwie das Gefühl bekam, er sollte sich schuldig fühlen.
Wenn Jamie die Wahrheit sagte, dann hatte er etwas getan – das er auf keinen Fall tun wollte –, aber worum seine Frau ihn gebeten hatte. Jamie, der Schurke! Wohingegen Cam, der wohlanständige Chief, nicht gegen das ankam, was er unbedingt tun wollte: alle Gedanken an seine Frau verdrängen und mit Mia Townsend zusammen sein.
Angewidert von seiner eigenen Heuchelei wie auch von dieser Argumentationskette, die Jamie zu einem wahren Heiligen stempelte, ließ Cam die Gabel auf den Teller fallen. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Jamie einen Teil der Zeitung zusammenfaltete und ihm anbot. »Die Sportseiten?«
Cam grunzte und nahm sie. Blind starrte er auf die Statistiken der High-School-Mannschaften in der Umgebung und schob schließlich die Zeitung unter seinen Teller.
Ohne Jamie anzusehen, stemmte er den Kopf auf die geballten Fäuste. »Alles in Ordnung mit Angus?« fragte er.
Er konnte ahnen, wie Jamie langsam den Kopf zu ihm herüberdrehte, nachdem er begriffen hatte, daß Cam soeben den ersten Versuch zu einer zivilisierten Konversation unternommen hatte. Doch bevor Jamie Gelegenheit bekam zu antworten, flog die Tür des Cafés auf und knallte gegen den Rahmen, daß die am Türgriff hängenden Schlittenglocken schepperten. Ein Mann in schwarzem Regenmantel
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