In Einer Zaertlichen Winternacht
und in
ein Tuch gehüllt.
Lincoln
hatte sich mit seinem Sohn im Arm auf den Schaukelstuhl in der Küche gesetzt
und geweint, bis er ihn bei Sonnenaufgang auf den Friedhof hinter dem
Obstgarten brachte. Dort hob er ein winziges Grab aus und bettete das Kind zur
Ruhe. Achtzehn Monate später erlitt Beth eine zweite Totgeburt, eine Tochter.
Auch an dem
Tag hatte er geweint, allerdings nicht vor seiner verzweifelten Frau. Tom und
Wes hatten sich um die Beerdigung gekümmert, und es verging über einen Monat,
bevor der Pfarrer vorbeikam, um am Grab die Gebete zu sprechen.
Weil es
keinen Sinn hatte, sich über etwas den Kopf zu zerbrechen, das längst vorbei
war, schob Lincoln die Erinnerungen zur Seite. Doch sie verfolgten ihn wie
Geister, als er sein Pferd nach Hause lenkte. Am östlichen Himmel ballten sich
Wolken zusammen, prall gefüllt mit Schnee.
Morgen würde
es noch schwieriger werden, die Rinder zu füttern. Die Kälte würde trotz der
schweren Lederhandschuhe in seine Hände eindringen, und sehr wahrscheinlich
würde der Bach wieder zufrieren.
Aus dem
Küchenfenster drang Licht. Lincoln klappte den Mantelkragen hoch, zog den Kopf
ein, um sich gegen den Wind zu schützen, und beschleunigte das Tempo.
Gracie
wartete bereits an der Hintertür auf ihn, ihr Gesicht leuchtete wie eine
Laterne, ihre Augen waren riesig. »Ich lerne das Einmaleins!«, schrie sie. »Und
ich habe ein Gedicht über Santa Claus aufgesagt!«
Er beugte
sich lächelnd nach unten, um Gracie einen Kuss auf den Kopf zu geben, dann
schob er sie zurück in die Wärme der Küche. Die Schiefertafeln und Bücher, die
Juliana morgens nach dem Frühstück auf dem Tisch ausgebreitet hatte, waren verschwunden.
Juliana stand am Herd, rührte in dem Hirscheintopf vom Vorabend und lächelte
ihm scheu zu. Mit einem Schlag wurde ihm klar, dass sie nicht nur eine Frau,
sondern eine schöne Frau war. An ihr wirkte der ausgeblichene Nesselstoff ihres
Kleids wie feinste Seide. Am liebsten hätte er ihr feurig rotes Haar angefasst.
Stattdessen
hängte er seinen Hut an den Haken, schlüpfte aus dem Mantel und hängte ihn
daneben. »Schule für heute vorbei?« Sie nickte. »Wir haben viel gelernt«, sagte
sie leise.
Wieder
lächelte Lincoln seine Tochter an. »Das habe ich schon gehört. Wo sind die
anderen?«
»Theresa
legt gerade Daisy und Billy-Moses für den Mittagsschlaf hin«, antwortete
Juliana, offensichtlich erfreut über die Frage. »Joseph ist bei Tom – sie haben
wilde Truthähne entdeckt und versuchen, einen großen für das Weihnachtsessen
mit nach Hause zu bringen.«
Weihnachten. Das hatte er ganz
vergessen, dabei rückte das Fest immer näher. Zum Glück hatte er bereits Gracies
Wörterbuch besorgt. Um den Rest hatte sich seine Mutter gekümmert. Sie hatte
Pfefferminzstangen, Bücher, Puppenkleider und andere Geschenke auf einem Regal
oben in ihrem Schrank versteckt und sie ihm gezeigt, bevor sie abgereist war.
Außerdem hatte sie ihn ermahnt, ja nicht den Christbaum zu vergessen.
Als ob sie
seine Gedanken gelesen hätte, zupfte Gracie an seinem Ärmel. »Bekommen wir
einen Christbaum?«
Lincoln
fand es albern, einen lebenden Baum einfach so zu fällen. Trotzdem lief er
jedes Jahr mit der Axt in den Wald, schlug einen Baum und nagelte zwei
Holzscheite kreuzförmig als Ständer zusammen, weil es seinem kleinen Mädchen so
viel bedeutete.
»Haben wir
nicht immer einen?«, gab er zurück.
»Ich
dachte, du könntest es dir dieses Jahr vielleicht anders überlegen. Du hast
gesagt, das wäre eine sehr deutsche Angelegenheit. Was ist deutsch?«
Es war
Juliana, die antwortete. »Deutschland ist ein Land wie die Vereinigten Staaten
und Kanada. Menschen aus Deutschland sind ...«
»Deutsche!«,
schrie Gracie triumphierend. »Sehr gut«, sagte Juliana zufrieden.
»Mach einen
Mittagsschlaf«, sagte Lincoln zu seiner Tochter. »Papa, ich schlafe mittags
nie. Ich bin doch kein Baby.«
»Daisy und
Billy-Moses auch nicht«, erwiderte Lincoln. »Nun geh schon.«
Gracie
wandte sich an Juliana. »Muss Theresa einen Mittagsschlaf machen?«
In diesem
Moment betrat Theresa die Küche. An ihrem funkelnden Blick war deutlich
abzulesen, dass sie die letzten Worte gehört hatte. »Komm«, sagte sie zu
Gracie. »Legen wir uns einfach ein Weilchen hin und ruhen uns aus. Wir müssen
nicht schlafen. Ich lese dir eine Geschichte vor.«
»Ich lese dir eine Geschichte vor«, verkündete Gracie. Daraufhin nickte Theresa lächelnd.
Beth hatte
ihrer Tochter mit
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