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In eisige Höhen

Titel: In eisige Höhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Krakauer
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darüber, daß er in seinem Leben etwas erreicht hatte... Möglich, daß er dies nie wirklich in Worte faßte, aber in seinen Gedanken muß die Vorstellung von »Alles oder nichts«
gegenwärtig gewesen sein. Von den beiden Alternativen, entweder ein drittes Mal umzukehren oder zu sterben, war die letztere für Mallory wohl leichter zu ertragen. Das Martyrium der ersteren wäre mehr, als er als Mann, als Bergsteiger und als Künstler auszuhalten vermochte.
    SIR FRANCES YOUNGHUSBAND
    »The Epic of Mount Everest«, 1926
     
    Um 16 Uhr am 10. Mai, ungefähr zur gleichen Zeit, als Doug Hansen an Rob Halls Schultern gelehnt auf dem Gipfel ankam, funkten drei Bergsteiger aus der nordindischen Provinz Ladakh zu ihrem Expeditionsleiter hinunter, daß auch sie auf dem Gipfel standen. Tsewang Smanla, Tsewang Paljor und Dorje Morup gehörten einer 39 Personen umfassenden Expedition an, die von der indisch-tibetanischen Grenzpolizei organisiert worden war. Die drei waren von der tibetanischen Seite des Berges über den Nordostgrat hinaufgestiegen – eben der Route, auf der 1924 George Leigh Mallory und Andrew Irvine so berüchtigterweise verschwunden waren.
    Als sie zu sechst aus ihrem bei 8 300 Metern gelegenen Hochlager aufbrachen, war es bereits 5 Uhr 45 in der Früh. 37
    Am Nachmittag, immer noch mehr als 300 Höhenmeter vom Gipfel entfernt, wurden sie von denselben Gewitterwolken verschlungen wie wir auf der anderen Seite des Berges. Drei Mitglieder des Teams warfen das Handtuch und kehrten gegen 14 Uhr um: Smanla, Paljor und Morup rückten jedoch trotz der sich verschlechternden Wetterverhältnisse weiter vor. »Sie waren völlig im Gipfelfieber«, erklärte Harbhajan Singh, einer der drei, die umkehrten.
    Die anderen drei erreichten um 16 Uhr die Stelle, die sie für den Gipfel hielten. Zu dem Zeitpunkt hatte die Wolkendecke sich bereits so verdichtet, daß die Sichtweite nur 30 Meter betrug. Sie riefen ihr Basislager auf dem Rongbuk-Gletscher und meldeten, daß man auf dem Gipfel angekommen sei, worauf der Expeditionsleiter, Mohindor Singh, über Satellit in Neu-Delhi anrief und Premierminister Narashima Rao von dem Triumph unterrichtete. Das Gipfelteam feierte unterdessen seinen Erfolg, hinterließ auf dem ihrer Meinung nach höchsten Punkt des Berges Gebetsfahnen, Katas und Kletterhaken als Opfergaben und stieg in den rasch an Heftigkeit zunehmenden Schneesturm hinab.
    In Wirklichkeit befanden sich die Ladakhis zum Zeitpunkt ihrer Umkehr auf einer Höhe von 8 700 Metern, etwa zwei Stunden vom tatsächlichen Gipfel entfernt, der da noch aus den höchsten Wolkenschichten emporragte. Die Tatsache, daß sie in ihrer Ahnungslosigkeit etwa 150 Höhenmeter vor ihrem Ziel stehenblieben, erklärt, warum sie weder Hall noch Hansen, noch Lopsang auf dem Gipfel sahen und umgekehrt.
    Kurz nach Einbruch der Dunkelheit meldeten dann Bergsteiger im unteren Teil des Nordostgrates, daß sie den Schein zweier Stirnlampen sehen würden, etwa bei Meter 8 600, ganz in der Nähe eines schwierigen Steilstücks, das als die Zweite Stufe bekannt ist. Von den Ladakhis sollte es jedoch in jener Nacht keiner mehr zu den Zelten schaffen, und auch über Funk ließen sie nichts mehr von sich hören.
    Am 11. Mai um 1 Uhr 45 – Anatoli Boukreev suchte etwa zur gleichen Zeit den Südsattel nach Sandy Pittman, Charlotte Fox und Tim Madsen ab – machten sich zwei Kletterer eines japanischen Teams trotz der heftigen Winde zum Gipfel auf. In Begleitung dreier Sherpas brachen sie von dem gleichen Hochlager auf dem Nordostgrat auf, das auch die Ladakhis benutzt hatten. Als sie gegen 6 Uhr einen steilen Felsvorsprung, die sogenannte Erste Stufe, umgingen, stießen der einundzwanzigjährige Eisuke Shigekawa und der sechsunddreißigjährige Hiroshi Hanada auf einen der noch lebenden Ladakhi, wahrscheinlich Paljor. Die beiden Japaner waren zunächst schockiert, wie sie den halberfrorenen, unverständlich vor sich hin stöhnenden Ladakhi, der eine ganze Nacht schutzlos und ohne Sauerstoff im Freien verbracht hatte, da im Schnee liegen sahen. Da man jedoch die Besteigung nicht gefährden wollte, zog das japanische Team Richtung Gipfel weiter.
    Um 7 Uhr 15 kamen sie am Fuß der Zweiten Stufe an, einem vollkommen senkrechten Felsvorsprung aus bröckeligem Schiefer, der normalerweise mit einer Aluminiumleiter erklommen wird, die 1975 von einem chinesischen Team an den Felsen festgebunden worden war. Die japanischen Bergsteiger mußten jedoch zu ihrer Bestürzung

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