In eisige Höhen
Expedition des Ka im Jahre 1953 spielte, dem gleichen Jahr, in dem Hillary und Tenzing den Gipfel des Everest eroberten.
Als die achtköpfige Expedition hoch oben auf dem K2 in einem tosenden Schneesturm festsaß und darauf wartete, zum Gipfel vorstoßen zu können, zog sich ein Teamkamerad namens Art Gilkey eine Thrombophlebitis zu, ein lebensbedrohliches, durch Höhenluft hervorgerufenes Blutgerinnsel. Als ihnen klarwurde, daß sie Gilkey sofort nach unten schaffen mußten, um den Hauch einer Chance zu wahren, ihn zu retten, machten Schoening und die anderen sich mitten im wütenden Sturm daran, ihn an dem steil abfallenden Abruzzi-Grat hinunterzulassen. Bei 7600 Metern rutschte ein Bergsteiger namens George Bell aus und zog vier weitere mit sich in die Tiefe. Schoening wickelte reflexartig das Seil um Schultern und Eispickel und schaffte es irgendwie, Gilkey zu halten und gleichzeitig den Fall seiner fünf Kameraden zu stoppen, ohne selbst hinabgezogen zu werden. Als eines der unglaublichsten Bravourstücke in den Annalen des Bergsteigens ist dies seither ganz einfach als
The Belay
bekannt. 16
Und nun wurde Pete Schoening von Fischer und seinen beiden Bergführern Neal Beidleman und Anatoli Boukreev den Everest hochgeleitet. Als ich Beidleman, einen baumstarken Bergsteiger aus Colorado, fragte, was er dabei fühlte, einen Kunden von der Klasse Schoenings einen Berg hochzuführen, lächelte er abwehrend und verbesserte mich rasch: »Jemand wie ich ›führt‹ Pete Schoening nirgendwohin. Ich betrachte es vielmehr als große Ehre, mit ihm im gleichen Team zu sein.« Schoening machte bei Fischers Mountain-Madness-Gruppe nicht deshalb mit, weil er einen Bergführer benötigt hätte, sondern damit er sich nicht um das ganze nervenaufreibende Drumherum kümmern mußte, wie etwa Genehmigungen, Sauerstoff, Zeltausrüstung, Proviant, Sherpa-Helfer und andere logistische Details.
Ein paar Minuten nachdem Pete und Klev Schoening zu ihrem eigenen Camp Eins vorbeigeklettert waren, tauchte ihre Teamkameradin Charlotte Fox auf. Die achtunddreißigjährige Fox, dynamisch und von klassisch schöner Figur, war eine Skipatrouillenfahrerin in Aspen, Colorado, und hatte bereits zwei Achttausender bestiegen: den Gasherbrum II in Pakistan, 8035 Meter, und den 8 201 Meter hohen Nachbarn des Everest, Cho Oyu. Später traf ich auf ein Mitglied von Mal Duffs kommerzieller Expedition, einen achtundzwanzigjährigen Finnen namens Veikka Gustafsson, der unter anderem bereits den Everest, Dhaulagiri, Makalu und den Lhotse bestiegen hatte.
Ganz anders die Kunden in Halls Team. Keiner von ihnen hatte es jemals auf den Gipfel eines Achttausenders geschafft. Wenn jemand wie Pete Schoening das Äquivalent eines Baseballspielers der ersten Liga war, dann waren meine zahlenden Kameraden und ich eine Hinterhofansammlung annehmbarer Softballspieler aus der Provinz, die sich den Weg zur Weltmeisterschaft durch Bestechung erkauft hatten. Ja, oben auf dem Gletscherbruch hatte Hall uns »eine ganz schön starke Truppe« genannt. Und vielleicht waren wir ja, gemessen an den Teams, die Hall in den letzten Jahren den Berg hocheskortiert hatte, tatsächlich stark. Dennoch war ich mir völlig im klaren darüber, daß niemand von uns ohne ein erhebliches Maß an Hilfe seitens Hall, der Bergführer und Sherpas auch nur den Hauch einer Chance hatte, den Everest zu besteigen.
Andererseits hatte unsere Truppe weitaus mehr drauf als so manches andere Team auf dem Berg. Bei einer kommerziellen Expedition, die von einem Engländer mit kaum nennenswerter Himalaja-Erfahrung geführt wurde, waren einige Bergsteiger mit äußerst zweifelhaften Fähigkeiten dabei. Die am wenigsten qualifizierten Leute auf dem Everest waren jedoch nicht bei der zahlenden Klientel zu suchen, sondern vielmehr bei den traditionell organisierten, nicht kommerziell arbeitenden Expeditionen.
Als ich durch den unteren Abschnitt des Gletscherbruchs zum Basislager zurückwanderte, überholte ich zwei langsamere Kletterer in äußerst seltsamer Kleidung und Ausrüstung. Ein Blick genügte, um zu sehen, daß sie mit den Standardtechniken und Ausrüstungsteilen zum Besteigen eines Gletschers nicht vertraut waren. Der hintere der beiden blieb ein ums andere Mal mit seinen Steigeisen hängen und stolperte ständig. Schließlich mußte ich warten, bis sie zwei wacklige, miteinander verzurrte Leitern überquerten, die eine weit klaffende Gletscherspalte überbrückten. Mir verschlug es fast den Atem,
Weitere Kostenlose Bücher