In eisigen Kerkern (German Edition)
Fahrrad vom Ständer und schob es über den Plattenweg zum Gehsteig.
Unvorstellbar, dass fremde Leute hier einziehen könnten. Sie würde sich Stefanie vorknöpfen. Dieser Blödsinn musste rückgängig gemacht werden.
„Hier ist Nelli.“
„Hau ab!“
Es knackte, die Gegensprechanlage war offenbar abgeschaltet worden. Sofort drücke Nelli wieder auf die Klingel.
„Was willst du?“, schrie es aus dem kleinen Lautsprecher.
„Lass mich rein.“
„Kommt nicht in Frage.“
„Es geht um Monika.“
„Um wen auch sonst. Mit euch beiden will ich nichts zu tun haben. Mit euch beiden nicht, kapiert!“
„Du hast ihr alles weggenommen“, schrie Nelli, ohne zu merken, dass sie schrie. Ihr Daumen lag noch auf der Klingel. Es knackte. Sie drückte den Daumen durch.
„Sie hat sich für dich entschieden, also werdet glücklich miteinander“, kratzte es gegen den Summton des Dauerklingelns aus dem Lautsprecher.
Nelli stützt beide Hände auf das Gartentürchen und schwang sich mit einem Satz hinüber. Mit großen, weiten Schritten überwand sie den geschwungenen Plattenweg hoch zu Stefanies Palast.
Sie hatte schon die Faust gehoben, um aus Leibeskräften zu klopfen, da ging die Tür auf, und Stefanie baute sich breitbeinig vor der Schwelle auf. Sie trug einen braunen Hosenanzug, hatte die Haare zurückgesteckt – und richtete den Lauf einer kleinen, viereckigen Pistole auf Nelli.
„Da bist du mir ja voll in die Falle gelaufen, Miststück.“
Nelli wich einen Schritt zurück.
Schon mehrfach war sie mit Waffen bedroht worden: von Andi, dem massenmordenden Hüttenwirt, und kurz darauf von seinem Nachfolger Stanislaus Wächter und von Fiona Herolder. All diese Bedrohungen hatte sie überlebt. Und nun sollte sie von ihrer eigenen Ex-Schwägerin abgeknallt werden, einfach so und völlig grundlos, an einem Spätherbsttag, der mit Nieselregen begonnen und sich schon in der ersten Stunde zum Fiasko entwickelt hatte.
Inzwischen war es fast dunkel. Eine voluminöse, ballonartige Gartenkugelleuchte bestrahlte die Showdown-Szenerie zwischen den verfeindeten Frauen. Hinter Stefanie im Flur schien klar und hell eine bunte Deckenleuchte und machte aus der Hausbesitzerin einen schwarzen Schatten im Gegenlicht.
„Du hast mich überfallen, wolltest mich töten, und da blieb mir nichts anderes übrig als abzudrücken“, sagte Stefanie ruhig und gefährlich besonnen. „Ich hätte nie gedacht, dass du es mir so leicht machen würdest, dich für immer loszuwerden.“
„Jetzt hör schon auf mit dem Quatsch“, wehrte sich Nelli matt, und sie hasste sich dafür, dass ihre Angst durchklang und Stefanie grinsen ließ.
„Das ist kein Quatsch“, sagte die und drückte ab.
Es machte „Klick“.
Das Geräusch löste bei Nelli eine Erkenntnis aus:
Das war kein Zufall, sondern eine Inszenierung.
Die hatte doch ihre Beschreibung der Schlüsselszene in Andis Wirtschaft gelesen!
„Buh!“, drohte Stefanie scherzhaft und grinste wieder.
Nelli hatte die Hände abwehrend ausgestreckt und ließ sie jetzt langsam sinken.
„Komm schon rein“, forderte Stefanie mit einer Stimme als seien sie plötzlich alte Freundinnen, unterstrich die Einladung mit einer Kopfbewegung, drehte sich einfach um und verschwand aus ihrem Eingangsbereich, ohne die Tür zu schließen.
Nelli spürte, dass sie zitterte.
„Falls du noch mal ins Haus musst, tut es mir leid“, rief Stefanie von irgendwo drin im Haus.
„Was?“, fragte Nelli so leise, dass sie es selbst kaum hörte.
Sie trat durch die Haustür in den Flur und fragte noch einmal: „Was?“
„Der Makler hat die Ersatzschlüssel, die ich bei mir hatte, bereits abgeholt.“
„Aber...“
„Du musst dich direkt an den Makler oder vielleicht auch schon an die neuen Besitzer wenden.“
Sie trafen sich im Zwischenflur an der Kreuzung zu Stefanies Panorama-Wohnzimmer, Treppenhaus, Gang und Haustürflur.
„Ich wüsste gern...“
„Bitte?“
„Was ist hier eigentlich los?“
Nelli hatte sich gefasst, ihre Stimmung kippte von geschockt in wütend.
„Ich weiß nicht, was du meinst.“
„Ich war dort, das Haus ist wie verbarrikadiert. Alle Rollläden runtergelassen, alles versperrt.“
„Natürlich. So ist das, wenn ein Haus den Besitzer wechselt.“
„Warum hilfst du ihr nicht, das Haus zu behalten? Du bist ihre nächste lebende Verwandte, verdammt noch mal! Warum lässt du sie nicht wenigstens bei dir wohnen, bis sie sich wieder gefangen hat?“
„Das hättest du
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