In eisigen Kerkern (German Edition)
wohl gern. Und in ihrem Schlepptau nistest du dich bei mir ein.“
„Um mich geht es hier überhaupt nicht. Was hat Monika überhaupt für Schwierigkeiten?“
„Finanziell? Was hat sie dir denn erzählt?“
„Gar nichts. Bloß Andeutungen. Dass ihr alles über den Kopf gewachsen sei.“
„Ja, das stimmt auf jeden Fall. Aber es ist nicht so, dass sie davonlaufen müsste.“
„Nicht?“
„Nein, die Schnapsidee hat sie doch nur durch dich. Sie wollte einen dramatischen Abschied hinlegen, die Schlüssel in den Briefkasten und auf Nimmerwiedersehen.“
„Das heißt, sie könnte das Haus behalten?“
„Sie hätte es behalten können, wenn sie Hilfe von mir angenommen hätte.“
„Dann...“
„Wo ist sie denn überhaupt?“
„Nicht mit umgekehrt. Wir haben uns getrennt - vorübergehend.“
Nelli wurde zunehmend unwohl. Wie Stefanie sie anfunkelte, das war nicht gespielt.
„Heißt das, sie ist immer noch mit dem Fahrrad unterwegs, bei dem Sauwetter, allein? Was willst du dann überhaupt hier?“
„Na, was wohl? Ich wollte der Sache nachgehen und retten was zu retten ist.“
„Du hast sie schon wieder im Stich gelassen!“
„Nein, verdammt. Ich kann sie ja nicht zwingen, mit mir umzukehren. Sie ist erwachsen.“
„Sieben Jahre treibst du dich sonstwo herum, und kaum will sie dich dabei begleiten, wirst du plötzlich sesshaft?“
„Das ist doch Schwachsinn. Wenn ich nicht umgekehrt wäre...“
„Wo ist sie?“
„...dann wüsste ich ja jetzt noch nicht mal, dass es gar nicht so düster aussieht.“
„Wo ist sie?“
„Irgendwo im Fichtelgebirge, nicht weit.“
„Nicht weit!“
„Sie will eine Weile für sich sein. Wir haben einen Treffpunkt vereinbart.“
„Ts!“
„Spiel du dich doch jetzt nicht als treusorgende Tante auf. Du hast das doch alles zugelassen. Wenn du mich informiert hättest...“
„Gib nicht mir die Schuld an deinem Pfusch.“
Nelli schüttelte den Kopf.
„Stefanie, weißt du was, wir sollten dieses Geschimpfe lassen, das bringt doch nichts.“
„Wie immer: Wenn man dich mit deinem Mist konfrontiert, willst du nichts davon hören.“
„Es ist ja nichts passiert. Ich treffe Monika morgen am vereinbarten Ort, kläre die Sache, und wir kommen zurück.“
„Was heißt das, zurück?“, fragte Stefanie lauernd.
„Na, hierher.“
Stefanie lachte schrill auf und schüttelte den Kopf.
„Was?“
„Monika kann meinetwegen kommen, aber du bleib gefälligst, wo der Pfeffer wächst.“
Nelli zuckte mit den Schultern und drehte sich um.
„Abwarten.“
Sofort setzte Stefanie nach und packte sie am Arm.
„Was soll das heißen?“
Mit einem Ruck riss sich Nelli los, schnaufte zwei mal, überlegte, gab sich selbst das Okay und sagte dann betont ruhig:
„Das soll heißen, dass du drüber nachdenken solltest, ob du dich weiterhin mir gegenüber so aufspielen willst.“
„Oder was?“
Stefanie wich einen Schritt zurück, ihre Aggression war auf einmal nur noch reine Abwehr. Nelli wandte sich ihr zu.
„Du weißt genau, was ich meine. Wenn du nicht aufhörst, mich wie Dreck zu behandeln, dann werde ich nicht länger für mich behalten, wie du deinen Lebensunterhalt verdienst.“
„Wie ich...? Also, das ist ja...!“
Nelli hatte nicht vorgehabt, Stefanie jemals mit der Geschichte unter Druck zu setzen, aber jetzt genoss sie ihre Verunsicherung. Sie drehte sich um und trippelte die Stufen zum Gartenweg hinunter.
„Nelli!“
„Denk drüber nach.“
„Wenn du das tust...“
Nelli drehte sich noch einmal um. Stefanie hatte sich besonnen, die Stimme zu senken. Den Rest des Satzes zischte sie gerade so laut, dass Nelli es noch hören konnte:
„...dann ist die Pistole das nächste Mal geladen.“
Nelli schwang sich auf ihr Fahrrad, trat an und schaltete auf Automatik: unten strampeln und oben grübeln. Mit ihrer Flucht auf zwei Rädern, so hatte sie all die Jahre geglaubt, sei ihr Leben in Stücke gegangen. An jenem Juni-Tag, als sie aus dem Auto stieg und sich schlingernd davonmachte. Ein schöner Mythos.
In Wahrheit hatte ihr Leben schon in dem Moment Sprünge bekommen, als sie sich entschieden hatte, Stefanie ihrem Bruder gegenüber zu decken – gegenüber Nellis Mann Nick. Es war kein Verrat an ihm gewesen, sondern ein Schutz der Familie vor dem, was Stefanie trieb, und doch fühlte sie sich als Verräterin.
Sie wusste auch nicht, warum sie damals, in einem Sekundenbruchteil bei einer Stehparty anlässlich einer Vernissage im Foyer des
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