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In eisigen Kerkern (German Edition)

In eisigen Kerkern (German Edition)

Titel: In eisigen Kerkern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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Firmensitzes, Nicks Seite verlassen und sich auf die Seite seiner Schwester gestellt hatte, als Stefanies Geheimnis kurz davor war, öffentlich bekannt zu werden. Sympathie war es gewiss nicht gewesen. Gesellschaftliche Konventionen, das kam wohl eher hin. Feigheit. Hätte sie nicht gelogen, es wäre zu einem Eklat gekommen. Nick hätte die Vernissage gesprengt. Peinlich und vielleicht der Anfang einer Familientragödie, die das schöne Schlendrianleben für unbestimmte Zeit beeinträchtigt hätte.
    Eigennutz hin oder her, profitiert hatte am meisten Stefanie, aber gedankt hatte sie ihr das nie, im Gegenteil: Sie drehte den Spieß um und erpresste Nelli bei jeder Gelegenheit mit ihrer Lüge. Zu Nicks Lebzeiten hatte das funktioniert – aber jetzt war Nelli in der stärkeren Position.
    Erst gerade eben, im Eingangsbereich von Stefanies Haus hatte sie das begriffen, in einer Augenblicks-Erkenntnis. Und sie hatte Stefanie angesehen, dass die es ebenfalls erst in dem Moment realisierte. Es hatte sich etwas geändert. Und das verinnerlicht zu haben, löste in Nelli Veränderungen aus.
    Jetzt würde sie reinen Tisch machen: Monika treffen, mit ihr umkehren und sich dann bei Stefanie – wie hatte sie das genannt, einnisten? – Genau!
     
    „Bin da, wo wir gefrühstückt haben.“
    Nelli stieß die Luft aus vor Erleichterung, als sie den Zettel fand und im Lichtkreis ihrer kleinen Kugelschreiber-Taschenlampe las. Sie legte das zweimal gefaltete Papier zurück auf Monikas ausgebreiteten Schlafsack und kroch rückwärts aus dem Zelt.
    Eine Sturmböe fuhr ins Fichtengeäst und ließ die Bäume rings um Nelli knarrend schaukeln. Eisregen prasselte auf ihre Jacke. Ihr rechtes Knie wurde sofort feuchtkaltmatschig, als sie sich versehentlich damit auf dem Waldboden abstieß. Die Kälte drang ihr den verschwitzten Rücken hoch und ließ sie frösteln, aber sie fühlte sich so hochfliegend nach dem Schreck.
    Sie hatte sofort an jemanden wie Andi gedacht, als sie eine Minute zuvor, bei ihrer Ankunft am vereinbarten Treffpunkt am Waldrand neben einem Sportplatz bei Weißenstadt, einen stockfinsteren und verwaisten Lagerplatz vorgefunden hatte. Jemand wie Andi hatte Monika geschnappt.
    Zum Glück nicht. Zum Glück war sie zur Vernunft gekommen und hatte sich vor dem Sauwetter in die Wirtschaft verzogen. Zum Glück würde sie damit empfänglicher sein für Nellis Plan, am nächsten Morgen gemeinsam zurück nach Hof zu fahren, im Idealfall per Bus, und einstweilen bei Stefanie unterzukommen. Und zum Glück würde Nelli heute Nacht in einem Bett schlafen und vorher duschen können. Das Wirtshaus war ganz in der Nähe.
    Nelli schob ihr Fahrrad zur Straße und schwang sich auf den Sattel. Die kurze Pause hatte sie bereits auskühlen lassen, sie fröstelte und war kurz davor zu zittern. Nicht auszudenken, in dieser Verfassung im Freien übernachten zu müssen, ungeduscht und in feuchten Klamotten. Zum Glück aber...
    Ein tanzendes kleines Fahrradlicht kam ihr entgegen.
    „Hey!“
    Monikas Stimme.
    „Hallo. Warum hast du nicht im Wirtshaus gewartet?“
    „Hatte keine Lust mehr, allein da herumzusitzen. Ich hab dir was mitgebracht, schau.“
    Monika stieg ab, nahm eine Plastiktüte vom Lenker und hielt sie Nelli hin. Sie trug ihr dunkelblaues Regencape und sah damit aus wie ein überdimensional-bedrohliches Heinzelmännchen.
    „Braten mit Klößen. Müsste noch warm sein.“
    „Danke, aber...“
    „Und, wie war es?“
    „Erzähl ich dir gleich, aber ich würde jetzt gern mit dir zurück ins Wirtshaus.“
    „Geht nicht.“
    „Wieso?“
    „Geht eben nicht.“
    Nelli spürte Groll in sich aufsteigen.
    „Ich bin völlig durchgeschwitzt. Ich will duschen, und dann sollten wir uns für die Nacht ein Zimmer nehmen.“
    „Die haben hinter mir zugesperrt. Kein Pensionsbetrieb um diese Jahreszeit.“
    „Egal, es wird ja hier wohl noch andere Übernachtungsmöglichkeiten geben.“
    „Wir haben doch unser Zelt“, unterbrach Monika sie fröhlich und fuhr los in Richtung Lagerplatz.
    „Weißt du, wie spät?“
    „Gleich elf“, rief sie über die Schulter zurück.
    „Verdammt!“
    Hier um diese Zeit noch eine Pension zu finden, war so gut wie aussichtslos. Warmes Bett adieu. Widerwillig wendete Nelli ihr Fahrrad und folgte Monika zum Lagerplatz.
    „Was hast du den ganzen Tag gemacht?“, fragte Nelli.
    Monika hatte ihr Fahrrad abgelegt, streifte das Regencape über den Kopf und schüttelte es aus.
    „Nichts Besonderes. Bisschen durch

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