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In eisigen Kerkern (German Edition)

In eisigen Kerkern (German Edition)

Titel: In eisigen Kerkern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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dauerte ein paar Sekunden. Nelli wollte schon ein zweites Mal klingeln, da summte es leise, und das Tor schwang nach innen auf.
    Zögernd ging Nelli zwischen den sich öffnenden Flügeln hindurch und folgte der geteerten Auffahrt auf ein Grundstück zu, das wie ein Park angelegt, aber etwas verwildert war. Durch das Nebeneinander von organisierter Pflanzung und wildem Wuchern entstand ein besonderer Reiz – Nelli hatte das Gefühl, einen fremden Planeten zu betreten. Sie war 15, 20 Meter leicht bergauf gelaufen, da öffnete sich die Fichtenhecke, und inmitten des alten Baumbestandes drängte sich das dreistöckige Anwesen der Herolder hervor. Es war ein nüchterner Bau, modern und kalt, aber durch architektonische Kunstgriffe wie asymmetrische Bedachung, unregelmäßige Fensterverläufe und diverse Schwarzweiß-Muster bot das riesige Haus einen Anblick, von dem man sich kaum lösen konnte.
    Die Haustür wurde aufgerissen, und Nelli atmete auf, als die Herolder erschien.
    „Nelli!“, rief sie ihr entgegen. „Wird auch Zeit, dass sie kommen!“
    Nelli stutzte.
    „Pfeifen Sie gefälligst Ihre verrückt gewordene Stieftochter...“
    Die Herolder wurde von der Tür weggezerrt, Monikas Gesicht erschien.
    „Nun komm schon!“, rief sie ihr zu.
    Nelli riss sich aus ihrer Erstarrung und eilte auf die Tür zu.
    „Verdammt noch mal, Monika!“
    „Los, rein!“
    Sie sprang die Stufen hoch zur Tür, blieb an der Schwelle stehen, wollte ihrem Ärger gleich hier Luft machen, aber wurde von Monika so schnell und heftig gepackt und nach innen gezerrt, dass ihr die Luft wegblieb. Die Tür wurde zugeknallt, Nelli hörte Monikas heftiges Angstschnaufen und sah sich von der Herolder angestarrt.
    „Man weiß nie, ob hier nicht jemand patrouilliert“, murmelte Monika.
    „Sag mal, spinnst du?“
    „Schon gut.“
    „Was ist hier los?“
    Monika drehte einen Schlüssel herum, der an der Tür steckte und an dem ein kleines ledernes Schlüsseltäschchen hing.
    „Genau das, was du vermutet hast. Sonst wärst du ja nicht hier.“
    Nelli schaute zwischen Monika und der Herolder hin und her. Wie das Opfer eines Überfalls sah sie nicht gerade aus. Sie trug ihr übliches Schwarz, enge Hosen zu einem schlabberigen Oberteil, lehnte an einer schwarzen Kommode und sah interessiert zu Nelli und Monika herüber.
    Der ganze Vorraum war eine metallisch-steinern-polierte Symphonie in Schwarzgrauweiß, weder Wand noch Einrichtung noch Bodenkacheln zeigten einen Farbtupfer.
    „Sie will Geld“, mischte sich die Herolder mit spöttischer Stimme ein. „Wer hätte das gedacht?“
    „Wir gehen jetzt“, sagte Nelli kurzerhand, packte Monika am Arm und wollte den Schlüssel herumdrehen.
    „Nur blöd, dass ihr kleiner Raubüberfall gefilmt wurde“, kam es von der Herolder. „So was kann einem jungen Menschen den ganzen Lebenslauf versauen.“
    Sie hatte ihnen beim Sprechen den Rücken zugewandt, wühlte in einer der drei schwarzen Handtaschen, die an einem schwarzen, krakenartigen Kleiderständer baumelten, nach Zigaretten, lehnte sich wieder an die Kommode, steckte sich eine an und blies den Rauch in Nellis Richtung.
    „Was hast du gemacht?“, fragte Nelli.
    „Nichts weiter.“
    „Ach nein?“, fragte die Herolder freundlich und tippte mit ihrer Zigarettenhand an ihre linke Wange.
    „Ihr eine gescheuert höchstens.“
    „Wie bitte?“
    „Und zwar ziemlich heftig. Könnte sein, dass ich ein Schleudertrauma davontrage.“
    Die Herolder hielt die Zigarette ausgestreckt und schnippte den Aschekopf ab. Selbst im eigenen Haus benutzt sie keinen Aschenbecher, dachte Nelli. Wahrscheinlich beschäftigte sie ein kleines Geschwader von Reinigungskräften.
    „Tolles Haus, oder“, stellte die Herolder fest als habe sie Nellis Gedanken gelesen. „Verdanke ich alles Ihnen.“
    Nelli drehte den Schlüssel herum. Monika wollte protestieren, aber sie brachte sie mit einem scharfen Blick zum Schweigen.
    „Hören Sie zu“, sagte Nelli zu Fiona Herolder, die ihre Zigarette mit einem langen gierigen Zug auf die Hälfte verkürzte. „Wir verschwinden jetzt. Das war nur ein Besuch. Es ist niemandem etwas passiert.“
    „Doch, es ist eine Menge passiert. Ich bin schon immer dafür gewesen, Gelegenheiten beim Schopf zu packen“, antwortete die Reporterin. Sie ließ ihre glimmende, halb gerauchte Zigarette auf den Steinfußboden fallen, wo sie neben ihrem rechten Stiefel weiter qualmte. Nelli fielen auf dem Fußboden ringsum noch andere längst verloschene

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