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In eisigen Kerkern (German Edition)

In eisigen Kerkern (German Edition)

Titel: In eisigen Kerkern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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dabei.“
    „Verstehe. Wie sich Verdienst und Glück verketten...“
    „Was?“
    „...das fällt den Toren niemals ein, wenn sie den Stein der Weisen hätten, der Weise mangelte dem Stein. Ein Zitat von Goethe.“
    Nelli starrte die Tür an, ließ den Blick nach oben wandern, an der Decke entlang. Die Glühbirne hinter ihrer Glasverkleidung hatte die ganze Nacht gebrannt. Nelli begriff, welcher Segen es war, dass sie das Licht hatten. Nicht auszudenken, wie es wäre, bei völliger Ungewissheit auch noch im Dunkeln zu sitzen.
    „Was ist da oben?“, fragte Nelli.
    „Wo oben?“
    „Im Raum über uns?“
    „Gute Frage.“
    „Sie wissen es nicht?“
    „Räumliches Denken ist nicht gerade meine Stärke. Aber wenn ich mir die Richtung des Ganges hinter der Tür vorstelle, den Winkel und den Verlauf der Treppe, dann würde ich sagen, genau über uns ist der Eingangsbereich.“
    „Das heißt, wenn jemand zu Ihnen will und an der Tür klingelt - würden wir das überhaupt hören hier unten? Und würde jemand an der Tür uns hören?“
    „Woher soll ich das wissen?“
    „Das ist doch Ihr Haus, oder?“
    „Wie gesagt, ich bin viel unterwegs. Und wer weiß schon, ob er von seinem Keller aus an der Haustür gehört wird oder umgekehrt.“
    Nelli hockte sich mit angezogenen Beinen mitten auf den Tisch, umschlang ihre Schenkel und neigte sich über die Knie zu ihrer Gesprächspartnerin.
    „Das ist doch ein ganz wichtiger Raum für sie.“
    „Wie kommen Sie drauf?“
    „Ihre Sammlung von Schreibgeräten, liebevoll arrangiert auf Regalen wie in einem Museum. Sie sind bestimmt sehr oft hier unten.“
    „Ja und nein.“
    „Ja und nein was?“
    „Ja, die Sammlung ist mir wichtig, aber nein, ich bin fast nie hier unten. Das sind ja keine Devotionalien, sondern ausgediente Gebrauchsgegenstände.“
    „Warum heben Sie das Zeug dann auf?“
    „Weil es als Sammlung einen gewissen Wert hat. Oder auch nicht, ich hab das nie geprüft.“
    „Gibt es überhaupt etwas, das einen persönlichen Wert für Sie hat?“
    Die Herolder legte den Kopf schief.
    „Von Wert ist für mich, was mir als Informationsquelle dient.“
    „So wie mein Tagebuch.“
    „Zum Beispiel.“
    „Und wo ist es jetzt?“
    „Nachdem es als Datenbank geplündert war, habe ich es verbrannt.“
    Nelli zuckte kaum merklich zusammen, was Fiona Herolder mit einem kleinen Lächeln registrierte.
    „Keine Angst, war nur Spaß.“
    „Wo ist es?“
    „An einem sicheren Ort. Hätten Sie es gerne zurück?“
    Nelli schluckte und staunte darüber, wie sehr sie der Gedanke, ihr Tagebuch sei verbrannt, getroffen hatte. Ihr Herz hämmerte. Fast wären ihr die Tränen gekommen, und jetzt musste sie aufpassen, dass ihr die Augen nicht vor Erleichterung feucht wurden. Dabei war sie schon mal davon überzeugt gewesen, es sei in tausend Schnipsel zerfetzt in alle Winde zerstreut, und sie hatte sich damit abgefunden gehabt.
    „Sie würden alles dafür tun, es zurück zu bekommen, oder?“
    „Was wollen Sie eigentlich?“
    „Informationen.“
    „Worüber?“
    „Wie gesagt, das Tagebuch ist für mich abgegrast. Ich kenne Sie dadurch besser als Sie sich selbst kennen, Nelli.“
    „Das ist Unfug.“
    „Aber was ich aus Ihren Aufzeichnungen erfahren habe, wirft so viele neue Fragen auf, und die brennen mir auf der Seele. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr. Sie sind der interessanteste Mensch, den ich je kennengelernt habe.“
    Nelli schaute zur Decke und verzog das Gesicht.
    „Ich bin überhaupt nicht interessant.“
    „Oh doch.“
    „Wie auch immer. Und wenn ich Ihnen diese Fragen nun beantworte...“
    „...bekommen Sie Ihr Tagebuch zurück, mein Wort darauf.“
    Nelli schnaubte verächtlich.
    „Ihr Wort.“
    „Natürlich schriftlich.“
    Sie zückte ihren Block. Nelli schüttelte ungläubig den Kopf.
    „Sie müssten quasi ein Geständnis ablegen, dass Sie es überhaupt gestohlen haben.“
    „Aber sicher.“
    Sie schmiss ihren Block auf die Tischkante zu Nellis Füßen und fing an zu schreiben.
    „Ein solcher Wisch ist überhaupt nichts wert. Das ist ungefähr so...“
    „Was?“
    „In unserer Situation...“
    „Hier.“
    Die Herolder riss den Zettel ab und hielt ihn Nelli griffbereit entgegen.
    „Hiermit bekenne ich, das Reisetagebuch von Nelli Prenz an mich genommen und verwahrt zu haben. Rückgabe erfolgt auf Anfrage. Gezeichnet: Fiona Herolder.“
    „Das ist kein Geständnis.“
    „Aber eine Art Quittung.“
    „Und was erwarten Sie jetzt?“,

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