In eisigen Kerkern (German Edition)
fragte Nelli und wusste nicht, was sie mit dem Zettel anfangen sollte.
„Jetzt sind Sie dran.“
„Sie wollen...“
Die Metalltür erbebte unter heftigen Schlägen von außen. Nelli fiel vor Schreck fast vom Tisch, sah die Herolder zusammenzucken und rechts neben sich Monika aus dem Schlaf hochfahren.
„Hallo da drin“, rief es von draußen. Eine Männerstimme. Könnte der Dicke sein, dachte Nelli und wollte antworten.
„Verpisst Euch!“, schrie die Herolder, noch bevor Nelli den Mund aufbekam. Sie fuhr zu ihr herum.
„Sind Sie noch zu retten?“
„Frau Herolder?“, fragte die Männerstimme von außen. Monika schwang die Beine von der Eckbank und fragte: „Was ist los? Was wollen die?“
„Machen Sie die Tür auf“, rief Nelli und ärgerte sich, dass ihre Stimme eher flehend als empört und bestimmt klang.
„Erst müssen wir mit Fiona Herolder sprechen.“
„Ich verhandle nicht mit Kidnappern!“, schrie die Herolder zurück.
„Was wollen Sie?“, fragte Nelli.
„Wir brauchen die Pin-Nummern sämtlicher Konten.“
Mit Fiona Herolder passierte irgend etwas. Nelli war nicht klar, was. Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich, ihre Körperhaltung zersplitterte innerlich, ohne äußerlich die Form zu verlieren. Sie schien ernsthaft überrascht. Für Nelli kam die Forderung überhaupt nicht überraschend, im Gegenteil. Eigentlich war nun endlich alles klar: Um Geld ging es, natürlich, das passte ins Bild. Nun hatte man eine Verhandlungsgrundlage.
„Seid Ihr übergeschnappt?“, fragte die Herolder mit gezwungen fester Stimme, aber man hörte durch, wie verunsichert sie war.
„Wir haben Tan-Nummern-Listen zu insgesamt sechs Konten gefunden, jetzt brauchen wir die Pins dazu.“
Sie stand auf, ungelenk wie eine alte Frau, räusperte sich und kam neben Nelli und Monika zur Tür.
„Haben Sie mich verstanden?“, fragte von draußen die Männerstimme.
„Erst wollen wir hier raus“, forderte Nelli und war sich nicht sicher, ob es die richtige Forderung war.
„Das ist uns klar. Sobald wir hier fertig sind, sorgen wir dafür, dass Sie freikommen, versprochen. Wir sind keine Killer, und wir wollen Ihnen auch nicht unnötig zusetzen.“
„Das tun Sie aber!“, schrie Monika, noch bevor Nelli antworten konnte. Die Herolder stand nur da, wutentbrannt, kaute auf ihren Backeninnenseiten und wirkte völlig ratlos.
„Wir wollen was zu essen und...“, setzte Nelli an, aber wurde schroff von außen mit einem Donnerschlag gegen die Tür unterbrochen.
„Wir verhandeln nur mit Frau Herolder. Sie weiß, warum es am besten ist, uns die Nummern mitzuteilen.“
„Was ist hier los?“, fragte Nelli leise.
Die Herolder starrte in hilfloser Wut zur Tür.
„Nelli Prenz?“, fragte es von draußen. „Das sind Sie doch, oder?“
„Ja“, antwortet Nelli zögernd und hatte das Gefühl, als habe sich der Frager indirekt an Fiona Herolder gewandt und nicht an sie.
„Wollen Sie wissen, was hinter dieser Sache steckt? Es ist nämlich so, dass...“
Die Herolder schlug mit der Faust gegen die Tür, dass es krachte, und die Männerstimme verstummte.
„Haben Sie was zum Schreiben?“, fragte sie lautstark nach draußen.
„Ja.“
„Dann notieren Sie, in alphabetischer Reihenfolge: 346651, 816783, 444559...“
„Nicht alle auf einmal“, ging Nelli dazwischen und schlug ihrerseits gegen die Tür, um die Verbindung zu unterbrechen. „Die sollen uns für jede Pin was geben, zuerst mal was zu trinken und zu essen. Der Eimer muss geleert werden. Wir verlangen außerdem einen Raum mit besserer Belüftung und Zugang zu einer Toilette.“
Nelli schlug noch einmal mit der flachen Hand gegen die Tür, um ihre Forderungen zu unterstreichen.
„Lassen Sie das Gehämmere“, fauchte von draußen die Männerstimme. „Weiter jetzt!“
„Sie hat recht“, sagte die Herolder nach kurzem Zögern Nelli zugewandt zu dem Mann draußen. „Drei Pins reichen fürs erste.“
Nelli hörte draußen die beiden Kerle sich etwas zuraunen. Sofort ging sie mit dem Ohr an die Tür.
„...und vielleicht ist auf den drei Konten schon genug, um zu verschwinden“, hörte sie noch.
„Meinetwegen“, stimmte der Dicke zu.
Nelli hörte leise Schritte sich im Gang verlieren, dann Stille.
„Sind sie weg?“, fragte die Herolder.
„Ich glaub schon.“
„Wir müssen auf der Stelle hier raus!“
„Wieso, ich dachte, es gibt keinen Ausweg?“
„Weil die Pins falsch waren.“
Kapitel 8: Es droht ein tödliches
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