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In eisigen Kerkern (German Edition)

In eisigen Kerkern (German Edition)

Titel: In eisigen Kerkern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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Kellerraum in einem ungeheuren Wust von Altpapier verbuddelt. Die Herolder hat jeden Schnipsel, der ihr je als Informationsquelle gedient hat, aufgehoben und gehortet.“
    „Na und?“
    „Im ersten Moment bin ich erschrocken, als ich es wiedersah.“
    „Und wieso?“
    Monika sprach in einem Ton, dass Nelli gar nicht anders konnte als sie sich mit genervt verdrehten Augen vorzustellen.
    „Du solltest gehen, Monika.“
    „Was ist los?“
    „Geh weg und mach, was du willst. Ich kümmere mich um die Herolder und verschwinde dann aus deinem Leben, für immer.“
    „Ich will jetzt wissen, was los ist!“
    Nelli schüttelte den Kopf und wartete. Hinter ihr, auf der anderen Seite der Tür, rumpelte es leicht. Ein schabendes Geräusch zog sich von über ihr bis direkt hinter ihr und kam, Rücken an Rücken mit ihr, zur Ruhe.
    „Ich warte hier, bis du rauskommst“, hörte sie leise Monikas Stimme, die jetzt in gemäßigterem Trotz in die andere Richtung sprach.
    „Was willst du?“, fragte Nelli nach einiger Zeit des Wartens.
    „Ich will, dass du rauskommst und etwas für mich tust. Danach können wir uns meinetwegen trennen.“
    „Was soll ich tun?“
    „Sag ich dir, wenn du draußen bist.“
    „Warum hast du die beiden umgebracht?“
    „Wen denn?“
    „Ich kann durchs Schlüsselloch die Leichen sehen, Monika. Also?“
    „Aus Notwehr natürlich.“
    „Was ist passiert?“
    „Ist doch egal. Hast du nichts gehört?“
    „Ich hab geschlafen und bin durch Schreie aufgewacht.“
    „Und jetzt hast du Angst, dass ich dich auch töten will? Oder dass es zum Kampf kommt und du mich töten musst?“
    Monikas Stimme klang belustigt.
    „Damals“, fragte Nelli, „als du mal nachts in meinem Schlafzimmer warst, wolltest du mir da was antun?“
    „Nein, ach wo. Nur schauen. Ich hab dich oft im Schlaf beobachtet, ganz oft. Fast jede Nacht. Menschen sehen im Schlaf ganz anders aus. Weißt du, warum?“
    „Vermutlich, weil die Gesichtsmuskeln erschlaffen.“
    „Nein, weil im Schlaf die Seele hervorkriecht und den Körper verlässt. Man kann dann Zwiegespräch mit ihr halten, und sie muss einem die Wahrheit sagen. Außerhalb des Körpers kann sie nicht lügen.“
    Nelli bekam eine Gänsehaut beim Gedanken an eine Monika, die Nacht für Nacht auf ihre hervorkriechende Seele wartete, um Zwiegespräche mit ihr zu halten und ihre Tageslügen zu enttarnen. Nachts das – und tagsüber ganz normal. Relativ normal. Zumindest hatte Nelli nichts gemerkt, hatte sie für gut drauf, ihr zugewandt, offen und versöhnungsbereit gehalten.
    „Und?“, fragte Nelli, um irgend etwas zu sagen.
    „Nichts und. Deine Seele hat mir genau das gesagt, was ich schon wusste: dass du nicht zurückgekommen bist, weil du bereust, nicht wegen mir, sondern nur um deinetwegen selbst. So hätte das nichts werden können.“
    „Und deshalb hast du diese Radtour inszeniert.“
    „Ja, unter anderem.“
    „Du bist gar nicht pleite, oder? Du hast das alles geplant.“
    „Nicht alles. Das geht gar nicht, weil immer vieles doch ein bisschen anders kommt. Die Herolder hatte auch ihre Pläne. Von den beiden Typen hab ich nichts gewusst. Die hatten wiederum ihre Pläne. Und wie du auf etwas reagierst, weiß man sowieso nie. Aber so wie es jetzt ist, kommt es meinen Plänen sehr nahe.“
    „Und das heißt?“
    „Wenn du rauskommst, kann es losgehen.“
    „Womit?“
    „Mit deiner Prüfung.“
    „Monika...“
    „Wir haben genug geredet.“
    „Was wird passieren, wenn ich die Tür aufmache?“
    „Du begegnest deinem Schicksal.“
    „Und wenn ich nicht aufmache?“
    „Na ist doch klar!“
    Monika lachte spöttisch auf.
    „Dann stirbst du ziemlich jämmerlich und als Feigling.“
    „Glaubst du, das fordert mich heraus?“
    „Ja, denn dann war alles umsonst. Dass du dich so oft aus der Scheiße gekämpft hast – für die Katz. Schließlich wirst du doch noch aus dem Leben gerissen, und dann auch noch so sinnlos und erbärmlich.“
    Nelli antwortete nicht.
    „Jetzt sag schon“, verlangte Monika nach einer ganzen Weile, in der sie, die Tür zwischen sich, ganz ruhig Rücken an Rücken gesessen hatten.
    „Was?“
    „Warum bist du erschrocken, als du dein Tagebuch gefunden hast?“
    „Die Herolder hat es völlig zerkritzelt.“
    „Wie?“
    „Keine Seite ohne Anmerkungen. Überall hat sie herumgeschmiert, als seien meine Einträge Textaufgaben, die sie zu korrigieren gehabt hätte. Unterstrichen, durchgestrichen, rot und grün und blau markiert,

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