In eisigen Kerkern (German Edition)
wo...?“
„Sie studiert in Heidelberg Psychologie. Wie Sie dem Artikel unschwer entnehmen können, habe ich mit Stefanie gesprochen, und die...“
„Haben Sie mit Monika auch gesprochen?“, ging Nelli aufgebracht dazwischen. „Haben Sie ihre Adresse oder Telefonnummer? Dann könnten wir gleich mal dort anrufen und...“
„Nein, aber ich könnte Stefanie bitten...“
„Dann erfährt sie aber den ganzen Schlamassel am Gletscher.“
Die Herolder schwenkte mit auf die Brust gedrücktem Kinn und großen Augen ein Exemplar ihrer Illustrierten.
„Nelli, hallo-o! Sie kann ja wohl lesen, oder?“
„Aber das mit Monika, dass Andi auch von ihr wusste und sie holen wollte und auch jetzt ins Spiel bringt, das steht da alles nicht drin, und das weiß sie auch noch nicht.“
„Sie muss es aber erfahren, anders geht es nicht. Sie scheinen ja eine Mordsangst vor dieser Frau zu haben.“
„Angst nicht, aber...“
„Was?“
„Also gut, Sie warnen Monika, über Stefanie oder direkt. Und wenn Sie jemanden bei der Polizei wissen, der sich mit solchen Fällen auskennt, können Sie sich da ja auch mal informieren.“
„Und Sie?“
Nelli schob der Herolder ihr Handy hin.
„Geben Sie mir bitte eines, das ich uneingeschränkt benutzen kann.“
„Wozu? Sagen Sie nicht, dass...“
„Ich melde mich zweimal täglich, einmal morgens um acht, einmal abends um acht. Wenn ich eine Stunde drüber bin, dann stimmt was nicht.“
„Nelli...!“
„Bis zum Interview nächste Woche bin ich zurück. Und wenn nicht, dann nimmt Ihre Story noch mal eine auflagensteigernde Wendung.“
Kapitel 5: Zurück am Ort des Schreckens
Kaum hatte Nelli München durchquert und die Stadt wieder in südlicher Richtung verlassen, kaum hatte sie Wiesen und Wälder um sich, die freie Straße und am Horizont die Berge vor sich, wusste sie, dass sie so oder so noch einmal an den Ort des Schreckens zurückgekehrt wäre. Sie musste noch einmal hoch an den Pass, das Haus leerstehend und ohne Andi sehen, vielleicht sogar einbrechen, die leeren Räume durchstreifen, den Gletscher als Naturwunder erleben statt als Todeslabyrinth, um zu verinnerlichen, dass es vorbei war. Anders würde sie nie zur Ruhe kommen und neu anfangen können, in welcher Form auch immer.
Es war ein Lücken-Phänomen. Jetzt, da sie vorerst keine Geldsorgen mehr hatte, merkte sie, dass da noch mehr als bloße Existenzangst gewesen war, was sie geplagt hatte und noch immer plagte. Den Höhepunkt des Horrors hatte sie in einem rauschartigen Zustand erlebt, an den sie sich erinnerte wie an einen Traum. Wäre sie nicht in Lebensgefahr gewesen, hätte ihr Körper viel früher schlappgemacht und nicht erst am Hintereingang von Andis Haus.
An den Weg vom Gletscher dorthin konnte sie sich kaum erinnern. Danach klaffte eine lange Lücke in ihrem Leben. Die Tage auf der Intensivstation waren eine Art Traumfragment. Die kurze Rückkehr zum Gletscher im Polizeibus zur Identifikation von Andis hockender Hülle ging viel zu schnell, um die Lücke zu schließen.
Jetzt war Nelli alles klar. Sie musste dort oben am Gletscher, bei Andis Haus, wo alles durcheinander geraten war, wieder in ihren Rhythmus finden und von dort aus neu starten, dann war alles wieder im Lot. Leichenraub und Drohbrief, auch das würde sich dann klären. Sie war auf dem richtigen Weg, endlich wieder.
Herzklopfen. Das war etwas, was Nelli nicht kannte. Rasendes Herzklopfen mitten in der Nacht. Irgendwas hatte sie aus dem Tiefschlaf gerissen. Mäuse unterm Zelt? Nelli verfluchte die Biester, aber in dieser Nacht wünschte sie sich, dass es Mäuse waren und nichts anderes. Nichts Zweibeiniges, das ums Zelt schlich.
Aus dem Halbschlaf musste wieder ein Schlaf geworden sein. Am nächsten Morgen hatte Nelli das albtraumhafte Aufschrecken vergessen. Während der Fahrt, gegen Mittag, fiel es ihr wieder ein.
„Die nächste Nacht verbringe ich nicht im Zelt!“
Nelli nahm sich das fest vor. Sie würde in einem Zimmer schlafen mit einer Tür, die man zusperren konnte.
Sie schaffte die Strecke und die Höhe in drei Tagen, wobei sie den Berg mit Andis Haus zunächst umfuhr, um sich von Süden her zu nähern. Alles sollte wie damals sein. Eine dritte Übernachtung vor dem Ziel erübrigte sich. Ihren Zeltplatz unterhalb des Passes, wo sie die Nacht vor dem Unfall verbracht hatte, erreichte sie am frühen Nachmittag des dritten Tages – und fand die Stelle kaum wieder. Hier oben, jenseits der Baumgrenze, sah alles
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