Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In eisigen Kerkern (German Edition)

In eisigen Kerkern (German Edition)

Titel: In eisigen Kerkern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
Vom Netzwerk:
Sie?“
    „Und wenn nicht?“
    „Dann mach ich trotzdem weiter. Und bin im Recht damit. Bringen Sie sich bitte nicht aus purem Trotz um Ihr Geld. Ich weiß doch, dass Sie es dringend brauchen.“
    „Unter einer Bedingung.“
    „Die Bedingungen sind längst ausgehandelt.“
    „Dass Sie andere Leute fragen, war nicht ausgehandelt!“
    „Selbstverständlichkeiten muss man nicht erst verhandeln.“
    „Meinetwegen, aber es wäre nur fair, wenn ich erfahre, was andere Leute Ihnen erzählt haben, damit ich dazu Stellung nehmen kann.“
    „Stellung nehmen wäre okay. Aber unterbinden is nich.“
    Nelli stand auf und bot ihr die Hand an.
    „Das ist meine Art von Vertrag.“
    Die Herolder zögerte, und Nelli ergänzte: „Alles, was ich will, ist Offenheit und Ehrlichkeit.“
    „Dagegen ist nichts einzuwenden.“
    Fiona Herolder schlug ein.
     
    Sie fühlte sich gut, erstmals seit Langem. Als sei die Lebenskraft in einen ausgebrannten, ausgehöhlten Körper zurückgeströmt und habe ihn mit Energie, vorwärtsgerichteten Gedanken und neuen Zielen gefüllt. Schon der Handschlag mit der Reporterin hatte diesen Stimmungsumschwung bewirkt. Schriftliche Verträge mit seitenweise Kleingedrucktem waren Nellis Sache nicht – klare Worte und symbolische Gesten waren es. Das über fünf Stunden lange Interview, das folgte, war hart und reinigend, die bittere Medizin des Aufarbeitens begann zu wirken.
    Kurz vor Ladenschluss ging Nelli in den Supermarkt, in dem sie am Morgen mit der Story konfrontiert worden war, kaufte sich frisches Obst und Gemüse, um endlich mal wieder ihre Vitamindepots aufzutanken, las nach dem Essen bei hereinbrechender Dunkelheit im Licht ihrer Taschenlampe im Zelt hockend den Artikel noch zweimal gründlich Wort für Wort durch, machte ihren Frieden damit, betrachtete den Scheck mit der dicken 10.000 und fühlte sich einfach wohl.
    Verrückt war das schon. Allein die Gewissheit, über neue finanzielle Rücklagen zu verfügen, hatte ihre ganze Welt verändert. Auf einmal gefiel sie ihr wieder, die große wohnsitzlose Freiheit, das Heute-hier-und-morgen-da entfaltete seinen alten Reiz neu. Egal wo, sie würde sich versorgen können, das war die Hauptsache. Der Horizont lockte wieder. Nelli schlief richtig gut in dieser Nacht.
    Dass der Scheck auch wirklich gedeckt war, gab ihr am nächsten Morgen noch mal einen neuen Schub von Optimismus. Sie hob 500 Euro ab und war damit vor sich selbst keine Landstreicherin mehr. Ob sie so aussah und auf andere so wirkte, war egal. Sie konnte jedem, der es wagte, sie wie eine Bettlerin anzuschauen, ihr Geldbündel unter die Nase halten. Der bunte Stapel Papier änderte alles, sie hatte damit die Freiheit zu sagen: Ich könnte ja... – im Hotel leben, mich völlig neu einkleiden, im besten Restaurant speisen – ...aber ziehe es vor, meine Würstchen am Lagerfeuer zu grillen und nachts ins Zelt zu kriechen. Zumindest so lange, bis mir was Besseres einfällt.
     
    „Schöne Grüße vom Gletscher, Nelli. Hab Deine Klatschgeschichte gelesen und bin gar nicht erfreut. Wir sind noch nicht fertig miteinander, jetzt erst recht nicht. Ich weiß, wo Du bist, und ich weiß, wo die kleine Monika ist. Entweder kommst du freiwillig und gibst mir das Geld, das du für unsere Geschichte kassiert hast, oder ich hole Euch beide zu mir und stelle Euch da auf, wo Ihr hingehört. A. – P.S.: Keine Polizei, das ist ja wohl klar unter alten Freunden wie uns?!“
    „Was haben Sie denn?“, fragte Fiona Herolder und klang erstmals ein bisschen menschlich und ernsthaft besorgt.
    Nelli gab ihr den schrumpeligen, mit Schreibmaschine getippten Brief, den sie soeben aus einem an den Verlag zu ihren Händen adressierten Briefumschlag gezogen und mit schlagartig leerem Kopf gelesen hatte, machte zwei Schritte rückwärts und tastete nach einem Stuhl.
    „Ein blöder Scherz“, meinte die Herolder, nachdem sie den Fetzen überflogen hatte. „Nehmen Sie das etwa ernst?“
    Nelli nickte und rang noch immer um Fassung.
    „Bei jeder großen Story kommt ein Schwung Briefe rein. Bei Ihnen sind das mehr als sonst, zugegeben...“
    Sie schaute lächelnd und mit unverhohlenem Stolz auf den kleinen Waschkorb voll Post mit dem Stichwort Nelli Prenz, den sie heute Morgen für sie bereitgestellt hatten. Zufällig hatte Nelli ausgerechnet diesen Drohbrief als Erstes geöffnet. Zufällig war er ganz zuoberst gelegen. Zufällig?
    „...vor allem nach nur einem Tag. Das meiste, was die Leute so schreiben, ist

Weitere Kostenlose Bücher