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In ewiger Nacht

In ewiger Nacht

Titel: In ewiger Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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recht – es schien die Handschrift von Moloch zu sein.
    »Was noch?«, murmelte Solowjow ins Kissen. »Valentin Kuwajew. Der Sänger Vaselin. Anton ist an ihm dran. Ich werde doch mal versuchen, mit Sazepa zu reden. Und vorsichtig an Groschew heranzukommen, unter einem harmlosen Vorwand.Für morgen, nein, heute, bleiben noch zwei: Boris Rodezki und Irina Drosdowa.«
    Ika. Das Wesen aus Shenjas geheimem Leben. Oder einfach nur eine Freundin? Nein, sie musste etwas wissen. Sie war zweiundzwanzig, wirkte aber jünger als Shenja, war Waise … Lebte mit einem Schriftsteller namens Mark zusammen … Der Internet-Pornograph hieß auch Mark …
    Solowjow schlief ein und träumte, dass er mit Olga durch einen Kiefernwald ging. Die Jahreszeit und ob es warm ist oder kalt, ist unklar, die Sonne scheint nicht, das Licht ist sonderbar. Es ist hell, aber oben ist es finster, Nacht, ohne Mond und ohne Sterne, schwarzes Loch. Auch unter den Füßen gähnt ein Loch. Er hat das Gefühl, über eine elastische Masse zu laufen, wie harte Sülze. Die Kiefern stehen in viel zu geraden Reihen und sehen alle vollkommen gleich aus.
    Der Abstand zwischen den Bäumen wird mit jedem Schritt kleiner, bald bilden die Kiefern eine geschlossene Wand. Olga bemerkt das nicht, sie lacht, laut und übermütig. Dima sieht, dass der Korridor, durch den sie laufen, in einem dichten Nebel endet, der nicht aus Wasser besteht, sondern aus schwarzer Tinte.
    Olga lacht, zieht ihn vorwärts, in die tintenschwarze Finsternis. Er versucht sie aufzuhalten. Ihre Hand entgleitet ihm, und sie läuft weiter. Er kann nicht laufen, seine Beine sind wie Watte. Er ruft nach ihr, aber es kommt kein Laut. Plötzlich dreht sie sich um, und er begreift, dass sie gar nicht lacht, sondern weint.
    Die Schwärze, in die sie hineinläuft, ist lebendig. Sie bewegt sich, pulsiert. Dima kann sich erst wieder rühren, als Olga verschwunden ist. Die widerliche Masse hat sie gleichsam geschluckt. Er geht näher heran und ist ebenfalls drin.
    Gefrorene Finsternis, das ist es. Man kann sich darin fortbewegen, aber nur sehr langsam. Der dichte, eisige Raum knirscht. Die Augen gewöhnen sich an die Dunkelheit, und Dima bemerkt, dass er über einen See läuft. Wieder fühlt essich unter den Füßen an wie Sülze. Unten ist die Finsternis dichter, trotzdem sieht er Wasserpflanzen und Steine und hört dumpfes, entferntes Plätschern.
    Vor ihm sind ein hoher Zaun und ein offenes Tor. Dahinter steht ein Haus, ein zweistöckiges kleines Schloss mit Luxusambitionen – Säulen, Türmchen. Dima geht näher heran, und das Ganze entpuppt sich als Attrappe; kaum betritt er eine halbrunde Stufe der Vortreppe, da zerfällt alles zu Staub.
    Er steht allein mitten in der Leere. Irgendwo unter ihm raschelt es. Dort bewegen sich Menschen, eingewickelt in dicke, stumpfe Folie, ein Knäuel menschlicher Körper. Als hätte sie jemand in einen gigantischen Plastiksack gesteckt. Sie versuchen sich zu befreien, schnappen nach Luft. Dima sieht Köpfe, Arme, Beine. Alles sehr klein, und er begreift: In dem Sack sind Kinder. Er stürzt zu ihnen, will die Folie zerreißen, aber sie ist fettig und glitschig. Und direkt über dieser trüben Schicht erscheint das weiße Gesicht von Olga.
    Die Finsternis neben ihm verdichtet sich allmählich und bildet eine klare Silhouette. Ein Mann, so groß wie er selbst. Eine Kapuzenjacke. Breite Schultern. Unter der Kapuze schwarze Leere, nur zwei trübe weißliche Flecke dort, wo die Augen sein müssten. Das Geschöpf streckt eine Hand im Gummihandschuh aus. Darauf liegt eine kastanienbraune Haarsträhne. Olgas Haar.
    Dima schlägt mit der Faust in die Leere unter der Kapuze, die Faust trifft ins Nichts, das Geschöpf lacht leise und löst sich auf.
    Er erwachte in eiskaltem Schweiß. Sein rechter Arm schmerzte. Aber das tat er oft. Es war der Arm, auf den ein betrunkener Lagerarbeiter vor vielen Jahren eine Kiste mit Konserven fallen gelassen hatte.

Dreiundzwanzigstes Kapitel
    Das Einfachste wäre, Shenja anzurufen und zu fragen, warum sie nicht zum Konzert gekommen war. Aber das wollte Vaselin lieber nicht tun. Frauen wurden so schnell unverschämt. Kaum sagte man einer, dass man sie brauche, schon saß man in der Falle. Klar, sie war beleidigt, weil er sie Sonntagabend nicht zu sich nach Hause eingeladen hatte. Aber er hatte sie nicht mit zu sich nehmen können – Natascha war in seiner Wohnung gewesen.
    Hätte Shenja früher was gesagt, hätte er das verhindern können. Aber

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