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In ewiger Nacht

In ewiger Nacht

Titel: In ewiger Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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erst als sie ins Taxi stiegen, hatte sie erklärt, dass sie die ganze Nacht bei ihm bleiben wolle. Das fehlte noch, ihr jede Laune zu erfüllen!
    Sie brauchte ihn, nicht umgekehrt. Unzählige Mädchen wie sie waren nur für ein Autogramm von ihm zu allem bereit – sie standen stundenlang in Kälte und Regen, ließen sich von der Menge fast erdrücken, schrien sich die Seele aus dem Leib.
    Vaselin war noch keiner hinterhergelaufen. Je lässiger und zynischer er mit den jungen Damen umging, umso mehr hingen sie an ihm. In Interviews und Talkshows zitierte er, wenn es um pikante Themen ging, gern Puschkin, allerdings leicht abgewandelt: »Je wen’ger Liebe wir ihr schenken, je leichter gibt sie sich uns hin.« Ein Teil des Publikums quittierte das stets mit Beifall und Lachen. Vaselin wusste, solange es diesen Teil gab, bei dem das Gehirn unterhalb der Gürtellinie saß, solange war er nicht verloren.
    Wenn er gefragt wurde, warum er noch immer nicht verheiratet sei, antwortete er, er könne Eintönigkeit nicht ertragen. Sein Element sei die ewige Suche nach Vollkommenheit. Was, wenn er heirate und dann eine Bessere kennenlerne? Schöne Frauen gebe es viele, ihn dagegen nur einmal. Wenn er sich an eine Dame binde, würden alle übrigen die Hoffnung aufgeben und sich benachteiligt fühlen. Das sei doch nicht gerecht. Jede solle ihre Chance haben.
    Er wurde gern zu Talkshows eingeladen. Vaselin war immer für einen Skandal gut, zumindest für eine Provokation.
    Er lehnte keine Einladung ab. Speziell für Talkshows hatte er sich das Lächeln eines Katers zugelegt, der sich am Sahnetopf gütlich getan hat, und spielte stets die Rolle des erschöpften Sexgiganten.
    In Wirklichkeit war die tüchtige dicke Natascha die Einzige, die ihm die Socken wusch. Geliebt und bewundert wurde er nur aus der Ferne, wenn er auf der Bühne stand oder auf dem Bildschirm flimmerte. Sobald man ihm zu nahe kam, strahlte er Eiseskälte aus. Er interessierte sich für niemanden außer sich selbst.
    Die Glamourmädchen hüpften zu ihm ins Bett und verschwanden enttäuscht rasch wieder und suchten neue Abenteuer. Er war kein besonders toller Mann, grob im Bett, faul und ungepflegt im Alltag. Er wusch sich selten die Haare und vergaß oft, sich die Ohren zu säubern und die Socken zu wechseln. Trotzdem befürchtete er ständig, dass ihn eines Tages eine Frau einfangen und zum Heiraten zwingen würde.
    »Blödmann«, sagte sein Produzent Boris, »Hochzeiten und Scheidungen sind auch Werbung. Wie viele Affären du hast, interessiert keinen. Um Aufsehen zu erregen, musst du ausschließlich Stars vögeln – Sportlerinnen, Fernsehmoderatorinnen, Ballerinen. Und deinen Betthäschen einen Mercedes, eine Wohnung, Pelze und Brillanten schenken. Dann interessieren sich die Leute auch für deine Liebschaften und reden und schreiben darüber.«
    Ja, er hatte recht. Aber Vaselin konnte seinen Rat nicht befolgen. Eine Affäre mit einem Sport- oder Ballettstar kriegte er einfach nicht hin. Er versuchte es nicht einmal, denn er befürchtete zu Recht einen Korb. Er verstand sich nicht aufs Werben, und von sich aus warf sich ihm kein Star an den Hals. Er besaß nicht die Mittel für teure Geschenke wie Autos und Wohnungen, und selbst wenn er sehr reich gewesen wäre, würde er trotzdem niemandem etwas schenken, denn er hieltsich selbst für das größte Geschenk. Vaselin war schlicht geizig.
    Doch die Zeit war reif, mehr als reif für eine neue PR-Kampagne. Vaselin verdankte seinen Ruhm ausschließlich kluger, gezielter Werbung. Vaselin war eine Marke, geschaffen von professionellen Produzenten, Imageberatern und gekauften Journalisten.
    In der Nacht im Klub, als Shenja nicht gekommen war, hatte ihn ein schmächtiger junger Mann mit kurzen roten Haaren und schicker runder Brille angesprochen, der Kerl, der im Foyer rumgestanden hatte, als er und Natascha sich anschrien. Er war Reporter einer Wochenzeitung, einer von denen mit ausführlichem Fernsehprogramm und Prominentenklatsch. Er wollte ein Interview mit Fotos, für eine ganze Doppelseite. Solche Dinge arrangierte normalerweise Boris. Manchmal bezahlte er dafür, manchmal genügten seine vielfältigen Verbindungen. Eine Doppelseite in einer Zeitung mit Millionenauflage, das war Spitze, eine der wirkungsvollsten Methoden indirekter Werbung.
    »Passt es Ihnen gleich morgen Vormittag?«, hatte der Reporter gefragt, wobei er den großen Poeten schüchtern und hingerissen ansah.
    »Ist es denn so dringend?«, frage

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