In ewiger Nacht
Erpressung«, sagte der stellvertretende Minister. »Was den älteren Italiener angeht – in der Hinsicht, denke ich, ist alles sauber. Shenja war zweimal in England, in einer internationalen Sprachschule. Da kann sie sich durchaus mit einem Mädchen aus Italien angefreundet haben. Dann kommt der Vater des Mädchens, ein Professor, nach Moskau, und Shenja geht mit ihm in den Klub. Schön, versuchen wir, diesen Professor über Interpol zu finden, obwohl ich bezweifle, dass uns das weiterhilft, zumal wir zu wenig über ihn wissen.«
Eine Kleinigkeit haben wir doch, dachte Solowjow, einen dünnen, sehr unsicheren Faden. Aber den gebe ich euch vorerst nicht in die Hand. Ich versuche ihn erst mal selbst aufzuwickeln, ganz vorsichtig und unauffällig.
Bei der zweiten Durchsuchung von Shenjas Wohnung war ihm ein Parfümflakon aufgefallen, versteckt in einem kaputten Schulranzen. Der Ranzen lag ganz hinten im Kleiderschrank im Zimmer des Mädchens und enthielt alte Hefte, Kugelschreiber, Filzstifte, zerbrochene Haarspangen, diversen Krimskrams und diesen halbleeren kleinen Flakon aus geschliffenem Glas. Das Etikett war handgefertigt oder antik. Darauf stand in kalligraphischen lateinischen Buchstaben »Materozoni«, darunter ganz klein »Rom«, eine Adresse und eine Telefonnummer. Und ein Code aus Zahlen und Buchstaben. Die Sportlerin Maja hatte gesagt, Shenja habe das Parfüm in England gekauft, in einer kleinen Parfümerie, und noch hinzugefügt, dass es ihrer Ansicht nach zu erwachsen roch.
Zu dem Zeitpunkt hatte Solowjow noch nichts von dem italienischen Professor gewusst, den Flakon aber vorsichtshalber mitgenommen und einem alten Bekannten zur Untersuchung gegeben.
Anschließend berichteten die Kriminalisten. Es gab reichlich Informationen, aber nur zum Opfer, keinerlei Hinweise auf den Täter. Vermutlich hatte der Täter das Mädchen mit einem Auto zum Tatort gebracht. Möglicherweise hatte das Mädchen ihn gekannt und war freiwillig eingestiegen. Der Wagentyp konnte noch nicht ermittelt werden. Die Befragung der Verkehrsposten, der Leute aus umliegenden Ortschaften und der Fahrer von Linienbussen hatte nichts erbracht. Die Ermittler hatten allen ein Foto von Shenja gezeigt; jemand hatte sie sogar erkannt, aus dem Videoclip. Aber in einem Auto oder zusammen mit einem Mann hatte sie am Abend vor dem Mord niemand gesehen.
Der stellvertretende Minister schwieg mürrisch, drehte den Bleistift hin und her und fragte schließlich: »Professor, wollen Sie diesmal allein mit uns arbeiten, oder möchten Sie vielleicht jemanden aus Ihrem früheren Team hinzuziehen?«
»Nur nicht Filippowa«, flüsterte Major Sawidow laut.
»Was haben Sie gegen Doktor Filippowa?«, fragte der Professor mit einem höflichen kalten Lächeln. »Olga ist eine exzellente Spezialistin, vielleicht die Begabteste von meinem ganzen Team, das Sie so forsch aufgelöst haben.«
»Mag sein, das können Sie besser beurteilen.« Sawidow errötete und wandte sich ab.
Der Professor sah Solowjow an und zwinkerte ihm fröhlich zu. Dann wurde er wieder ernst und wandte sich an den stellvertretenden Minister.
»Sie wissen, ich helfe Ihnen stets gern.«
Er ist noch immer beleidigt, dachte Solowjow, kein Wunder, fünf Jahre Arbeit für die Katz. Er ist eine internationale Leuchte, aber bei uns behandelt man seine Forschungen nur mit leiser Ironie, als wäre er eine Art Schamane. Nett von ihm, dass er Olga verteidigt hat. Er ist in Ordnung.
Elftes Kapitel
Soja Sazepa sah mit ihren achtundfünfzig Jahren herausfordernd sexy aus. Groß, rothaarig, große Brüste, wohlgeformte Hüften und Wespentaille – dank operativer Entfernung der unteren Rippen.
Je älter Soja wurde, desto tiefer wurde der Ausschnitt ihrer Pullis. Ihre Röcke waren meist kurz; sie hatte in der Tat schöne Beine. Auch ihr Gesicht war einst schön gewesen, doch das Alter hatte bereits seine hässlichen Spuren hinterlassen. Nach mehreren Liftings war ihr Mund nun breit wie der von Buratino; die Lippen waren mit Silikon aufgespritzt. Die Augenwinkel waren in Richtung Schläfen in die Länge gezogen, was durch schwarzen Konturstift noch betont wurde, und die Augen wirkten riesig. Keine Falte, nicht der geringste Fleck im Gesicht. Perfekte glatte, reine Haut. Nur die Hände waren mit kaum sichtbaren Altersflecken übersät.
»Also, Nikolai, was mir vorschwebt: Die Dusche am Gästezimmer in kühlen Türkistönen, für das große Badezimmer etwas Wärmeres, vielleicht Milchkaffee, ein
Weitere Kostenlose Bücher