In ewiger Nacht
weiches Beige oder tiefes Korallenblau.«
Die Verkäufer breiteten dienstfertig farbige Fliesen vor ihnen auf dem Tisch aus wie ein Mosaik. Sazepa nickte, lächelte, zog vielsagend die Brauen zusammen und blies die Backen auf. Seine Nüstern bebten, er atmete Sojas Parfüm ein, und ihm wurde ein wenig schwindlig.
Vor zehn Jahren hatte die alte Parfümerie Materozoni in Rom für die reiche russische Signora Sazepa ein individuelles Parfüm kreiert, und seitdem benutzte sie kein anderes mehr. Die kleinen geschliffenen Flakons waren sündhaft teuer. Vor jeder Reise nach Rom rief Soja in der Parfümerie an, und wenn sie kam, stand eine neue Portion bereit, zusammen mit kleinen Aufmerksamkeiten der Firma: Seife und Handcreme mit demselben einzigartigen Duft.
»Wonach riechst du?«, hatte Shenja eines Tages gefragt. »Ein toller Duft. Aber eher für eine Frau, glaub ich.«
Einen Monat nachdem sie sich kennengelernt hatten, mietete Sazepa eine Wohnung im Zentrum, ganz in der Nähe des teuren Fitnessklubs, den er seit einigen Jahren einmal in der Woche aufsuchte. Er erzählte Shenja, eine private Uni in Moskau habe mit ihm einen langfristigen Vertrag über eine Vorlesungsreihe zur antiken Geschichte geschlossen, sodass er nun häufig und für länger kommen werde. Shenja stellte ihm nie Fragen nach seiner Arbeit, die Legenden erfand er eher für sich selbst als für sie. Er brauchte eine Illusion von Normalität und Plausibilität.
Ihre Beziehung entwickelte sich in der besonderen aufgeladenen Atmosphäre gegenseitiger Lügen. Die Luft zwischen ihnen knisterte förmlich. Normales Tageslicht wirkte künstlich, die Sonne wie eine Lampe. Abends imitierte der Kronleuchter an der Decke die Sonne, die Decke war der Himmel.Der echte Himmel war auf die Seite gekippt und wirkte wie die grobe Kulisse einer Laienbühne. Draußen raschelten die papiernen Blätter lebendiger Bäume, im Zimmer zwitscherten die Vögel auf den Tapeten und schlugen mit den Flügeln. Sazepa erneuerte die Dekorationen hin und wieder, damit die Farben nicht stumpf wurden, nicht verwesten wie totes Fleisch.
An jenem Tag war er zum ersten Mal mit ihr in die Wohnung gegangen, bis dahin hatten sie nur in seinem Wagen allein sein können, hinter den getönten Scheiben. Den Peugeot hatte Professor Castroni gemietet – aber das interessierte die Kleine ohnehin nicht. Sie erklärte den Wagen nur für »cool«.
Bei der ersten Annäherung an die kleine Signorina hatte sich der schüchterne Signor Castroni an Humberts Rezept gehalten. Das Mädchen blinzelte häufig, wenn es in den Spiegel schaute. Signor Castroni nahm ihr Gesicht in die Hände und fuhr mit der Zunge über einen Augapfel. Dann küsste er ihr Gesicht, ihren Hals, die mageren Schlüsselbeine und verging vor Glück und Furcht.
Die Lehnen der Vordersitze ließen sich mühelos zurückklappen.
Sie war nicht erstaunt oder erschrocken, im Gegenteil, sie schmiegte sich an ihn wie ein kleines Kätzchen, ließ ihn aber nicht bis unter die Gürtellinie. Nein, und Schluss. Der kluge und vorsichtige Sazepa erklärte dem ungeduldigen Castroni, dass es im Auto ohnehin gefährlich sei und zudem unbequem, und einen anderen Ort hatten sie nicht.
Nun waren sie endlich allein in einer Wohnung. Castroni zitterte vor Ungeduld. Die Signorina war düster und launisch, ließ sich aber dennoch ausziehen und in die Arme nehmen. Die Lippen dicht an seinem Ohr, flüsterte sie: »Aber sei bitte vorsichtig, du bist mein Erster …«
Das kluge Kind hatte es so eingerichtet, dass hinterher Blut auf dem Laken war.
Aber das begriff Sazepa erst später. Sie hatte sich sehr echt verkrampft und geschrien und anschließend an seiner Schultergeweint. Dabei sagte sie plötzlich: »Wonach riechst du? Ein toller Duft. Aber eher für eine Frau. Sag bloß, du benutzt Frauenparfüm?«
Das Hemd, das er trug, hatte lange neben den Sachen seiner Frau im Schrank gehangen. Er war an den Geruch gewöhnt und bemerkte ihn nicht mehr, doch Shenjas sensible Nase hatte ihn gerochen. Also musste er sich etwas ausdenken.
»Ich stand heute früh im Fahrstuhl neben einer Französin. Sie hat ihre Handtasche aufgemacht, dabei ist ihr Parfüm rausgefallen, der Deckel ging ab, und ich habe ein paar Tropfen abbekommen.«
»Hast du gesehen, was für ein Parfüm das war? Wie es heißt? Ich will es haben. Nick, mein Lieber, erinnere dich bitte, wie der Flakon aussah. Nein, ich weiß – kannst du nicht diese Französin finden und sie fragen?«
Er
Weitere Kostenlose Bücher