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In ewiger Nacht

In ewiger Nacht

Titel: In ewiger Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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den Kopf. »Es riecht übrigens sehr schlecht hier bei Ihnen.«
    »Das hier ist ein Haus der Trauer, keine Parfümerie.«
    »Ja, ja, ich weiß. Aber gerade Gerüche sind wichtige Stimuli für mich. Ich möchte nach Hause, mir die Zähne putzen, duschen, etwas Sauberes anziehen, meine eigenen Sachen, und mich endlich ausschlafen.«
    Olga stand auf und ging zum Schrank. Im obersten Fach lag eine Schachtel mit Hygieneartikeln für Patienten ohne Angehörige. Eine Zahnbürste, eine kleine Tube Zahnpasta, ein Stück Hotelseife in einer Plastiktüte. Vor einem Monat hatte die Klinik vom Internationalen Roten Kreuz dreihundert solcher Tüten bekommen, zusammen mit Einwegspritzen, Bettwäsche und Pyjamas.
    Um das obere Fach zu erreichen, musste Olga auf einen Stuhl steigen. Der Karussellfahrer musterte sie dabei mit einem Blick, dass sie ihm am liebsten eins in die Visage gegeben hätte.
    »Hier, für Sie.« Sie warf ihm die Plastiktüte in den Schoß und schloss den Schrank ab.
    »Ergebensten Dank. Und ein besonderes Dankeschön dafür, dass ich Ihre reizenden Beine betrachten durfte.«
    »Hören Sie endlich auf mit dem Theater!«
    »Entschuldigung. Mir geht es wirklich sehr schlecht. Vielleicht hat mich irgendetwas zu Tode erschreckt. Vielleicht will mich jemand töten. Sehen Sie – handfester paranoider Verfolgungswahn.«
    »Wer will Sie denn töten?«
    »Wenn ich das wüsste! Ehrlich, dann hätte ich nicht solche Angst. Aber ich tappe total im Dunkeln.«
    Er verstummte und versuchte kläglich dreinzuschauen. Doch seine Augen blieben kalt und böse.
    »Wir behalten Sie erst einmal zwei Wochen hier. In dieser Zeit werden wir alles tun, um Ihre Identität festzustellen, Kontakt zu Ihren Angehörigen aufzunehmen. Gelingt das nicht, werden Sie ins Serbski-Institut überwiesen. Dort gibt es eine Spezialabteilung für Leute, die nicht wissen, wer sie sind.«
    »Ach, gibt es denn davon so viele?«
    »Nicht sehr viele. Vor kurzem wollte ein Wohnungsspekulant auf diese Weise untertauchen. Er wurde relativ rasch identifiziert. Ein Aufruf im Fernsehen mit Foto, und sofort meldeten sich Dutzende Geschädigte. Sie werden wir übrigens auch im Fernsehen zeigen.«
    »Oh, bitte, gern. Ist bestimmt schön, mal Fernsehstar zu sein, wenn auch nur kurz.«
    »Was meinen Sie, wird sich jemand melden?«
    »Ich hoffe.« Er lächelte breit.
    »Na schön, Sie können gehen. Aber ich warne Sie, sollten Sie noch einmal einem meiner Patienten zu nahetreten, dann wird es Ihnen leidtun.«
    »Dann werden Sie mich bestrafen?«
    »Nein, behandeln. Sich an psychisch kranken Menschen zu vergreifen ist eine offenkundige pathologische Störung. Sie werden die Medikamente bekommen, vor denen Sie sich so fürchten.«
    »Dazu wären Sie wirklich fähig? Einen gesunden Menschen mit grässlichen Psychopharmaka zu behandeln? Wie gemein, wie inhuman! Ich dachte, die Zeiten der Strafpsychiatrie wären vorbei.«
    »Ach, Sie sind also gesund? Was machen Sie dann hier?«
    »Das habe ich doch schon gesagt – ich werde verrückt.« Er seufzte. »Ich brauche nur ein bisschen Wärme und Verständnis,wie jeder Mensch in unserer schrecklichen, harten, zynischen Welt.«
    »Gehen Sie in Ihr Zimmer, ich habe zu tun.«
    Vielleicht sollte sie ihn unverblümt fragen: Sind Sie der Pornoautor Mark Moloch?
    Was würde das bringen? Nichts. Selbst wenn seine eiskalten Augen Panik spiegeln sollten, würde er alles abstreiten. Eine offene Frage würde ihn nur aufschrecken und misstrauisch machen.
    Er stand unter großer Anspannung, er markierte nur den Frechen und Gleichgültigen.
    Als Olga wieder allein war, wühlte sie nervös in ihren Schreibtischfächern. Sie suchte einen grünen Plastikordner, den sie vor einem Jahr mit an ihren neuen Arbeitsplatz gebracht hatte. Sie wollte ihn nicht zu Hause aufbewahren, damit er nicht zufällig ihren Kindern in die Hände geriet. Sie hatte ihn weit weg geräumt, unter Haufen von Papieren, und nun erinnerte sie sich nicht mehr genau, ob sie ihn damals womöglich doch weggeworfen hatte.
     
    Ein Mann mittleren Alters, kräftig gebaut. Angenehmes Äußeres, wirkt seriös. Vertrauenerweckend. Alter zwischen fünfzig und sechzig. Moskauer. Hochschulbildung, Mediziner oder Jurist. Könnte beruflich mit Jugendlichen zu tun haben, verfügt über Kenntnisse über die Psyche Heranwachsender, in Gerichtsmedizin und Kriminalistik.
    Leidet an Impotenz. Hat sich nie behandeln lassen, hält das für unter seiner Würde. Zudem ist sein Gebrechen vermutlich

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