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In Ewigkeit, Amen

In Ewigkeit, Amen

Titel: In Ewigkeit, Amen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hanika
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Nimmerleinstag. Er sah aus, als würde ihm diese Geschichte auch gerade einfallen, denn sein Gesichtsausdruck wurde noch eine Spur griesgrämiger.
    »Die müssen sparen. Aber wo sparen s’? An uns. Im Winter werden die Heizkörper erst um zehn Uhr warm.«
    Das wäre für mich ein guter Grund, erst so spät zu kommen.
    »Bis des warm wird, bist schon am Heimgehen«, fügte er nörgelig hinzu und verschwand durch die Tür in sein Zimmer, ohne mir die Tür aufzuhalten. Die Tür krachte gegen meine Hand, aber ich folgte ihm trotzdem brav. Echt. Der Schorsch. Kein Wunder, dass ich ihn nie erhört habe. Männer ohne Manieren sind das Letzte.
    »Der PVC, der strahlt richtig die Kälte aus«, lamentierte er weiter.
    Wir hatten Holzböden. Die strahlten keine Kälte aus. Aber man zog sich jeden Tag ein paar Spreißel in die Füße, was auch nicht besonders erhebend war. Es erschien mir aber klüger, ihm in allem zuzustimmen, und so nickte ich nur.
    »Ich darf dich ned befragen«, sagte er, und seine Griesgrämigkeit erreichte ihren Höhepunkt. Dann setzte er sich hinter seinen Schreibtisch. Er wurde mit einem Schlag selbstsicherer, was wohl daran lag, dass man die nasse Hose nun nicht mehr sehen konnte. »Aber, was mich schon interessieren würde . . .« Er sprach plötzlich hochdeutsch, was mich stutzig machte. Schorsch sprach nie hochdeutsch. Nur wenn er gerade hochgradig am Ermitteln war. Vielleicht stellte er sich dann vor, dass ich nicht ich war, sondern jemand, den er nicht kannte und der seinen heimatlichen Dialekt nicht verstand.
    »Wieso warst du eigentlich in der Kirche?«
    Das war eine gute Frage. Ich ging fast nie in die Kirche. Nur wenn mich Großmutter psychisch unter Druck setzte. Nicht in die Kirche gehen löste nämlich ganz schnell alle möglichen Beschwerden aus, die flugs zu einem schwarzen Arm führen konnten. Die jungen Leute heutzutage waren da viel zu nachlässig, fand Großmutter. Jedenfalls wusste das ganze Dorf, dass meine Kirchenbesuche sich auf ein paar ausgewählte Gottesdienste im Jahr beschränkten. Und zwar wenn meine Großmutter bei Sinnen war und mir ihr ganzes Repertoire an göttlichen Strafmaßnahmen drastisch schilderte. Über einen schwarzen Arm konnte man fast noch froh sein, denn das war durchaus noch steigerungsfähig.
    »Das Weihwasser war alle«, sagte ich schließlich, was nicht einmal gelogen war.
    Der Schorsch sah sehr zufrieden aus. »Die Flasche neben der Leiche.«
    Richtig. Die Flasche neben der Leiche.
    »Ihr verdächtigt doch wohl nicht Großmutter?«, fragte ich, mittlerweile ebenfalls griesgrämig.
    »Der Täter braucht Motiv und Gelegenheit«, antwortete er sehr vage.
    »Und die Gelegenheit hatten wir schon einmal«, erwiderte ich spöttisch. »Jetzt ist nur noch die Frage, wieso.«
    Dazu hätte ich ein paar gute Tipps geben können. Weil der greißliche Wanninger, der greißliche, nämlich so einen modernen Krampf gespielt hat. Das war einfach nicht mehr zum Anhören. Was sollte man machen? Da musste man einmal Zeichen setzen, nicht wahr? Und genauso wusste jeder, dass er SPD gewählt hatte. Natürlich nicht unbedingt ein Grund für einen Mord. Aber die Kombination, SPD und scheußliche Orgelmusik. Ich beschloss, dass Schorsch nicht in der Lage war, Ironie zu verstehen, und sagte deswegen: »Also, ein Motiv haben wir jedenfalls nicht.«
    Seit er hinter seinem Schreibtisch saß, war seine Miene verdächtig Bruce-Willis-mäßig, kurz bevor der die Welt rettet. Oder wenn er sie schon gerettet hat und noch einmal pathetisch in die Kamera schaut.
    »Frau Wild?«, fragte hinter mir Blomberg.
    Blomberg und ich standen direkt vor der Orgelbank und sahen uns beide intensiv die Stelle an, an der Großmutter die Limonadenflasche stehen gelassen hatte. Ich war schlechter Laune. Denn der Blomberg hatte mich ziemlich intensiv befragt, und ich wurde den Verdacht nicht los, dass ich bei seinen Überlegungen zum Tathergang eine zentrale Rolle spielte. Erschwerend kam hinzu, dass der Daschner, unser Pfarrer, ausgesagt hatte, dass ich quietschend neben der Leiche gestanden hatte. Und einem Blomberg konnte man nicht klarmachen, dass bei mir allein die Vorstellung, einer Leiche zu nahe zu kommen, schon Quietschen auslöste. Ich quietschte auch, wenn ein Ohrwurm aus einem Salatkopf herausfiel und auf meiner Hand weiterrannte. Oder wenn ich mit einer Tafel Schokolade aus der Speisekammer kam und mit Großmutter zusammenstieß.
    Der Blomberg hatte die ganze Zeit geguckt, als würde er niemals

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