Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In Ewigkeit, Amen

In Ewigkeit, Amen

Titel: In Ewigkeit, Amen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hanika
Vom Netzwerk:
Nacht vor meinem Zimmer auf-und abgegangen und hatte vor sich hingebrummelt. Natürlich fürchtete ich mich davor nicht, so etwas brachte mich nur ins Grübeln. Denn diese nächtlichen Aktionen hingen immer damit zusammen, wie es ihr psychisch ging. Und in letzter Zeit schien sie etwas zu bewegen, was sie mir nicht sagen, in ihrer Beichte nicht loswerden und mit keiner Rosenkranztante besprechen konnte. Immer wieder murmelte sie etwas vom Teufel vom Dreiwegener Kreuz.
    Ich wollte eigentlich gar nicht wissen, was ihr diese nächtliche Wanderlust bescherte. Und an das Dreiwegener Kreuz wollte ich auch nicht denken. Aber es ließ mich trotzdem wach bleiben. Und bekanntlich kann man Gedanken ganz schwer aktiv verdrängen. Aber wenn ich nicht an das Drei-wegener Kreuz dachte, dann tauchte unweigerlich wieder der tote Wanninger vor meinem inneren Auge auf. Immer wieder öffnete ich die Kirchentür und hatte dieses seltsame Wummern der tiefen Orgeltöne im Gedärm.
    Ich konnte und konnte nicht schlafen. Holzgedackt, sagte mein Gedanke. Das ist ein Orgelregister, was mir der Wanninger früher häufig zugezischt hatte. Posaunenklang war der nächste Gedanke. Ich versuchte zu schlafen und nicht an Orgelregister zu denken. Aber kaum hatte ich es ein wenig verdrängt und war am Einschlafen, hörte ich wieder das dumpfe Murmeln meiner Großmutter, und wieder setzten die Orgelklänge monumental ein. Und an »Holzgedackt« zu denken beunruhigte mich aus einem mir nicht ersichtlichen Grund.
    Ich machte die Augen auf und sah mir die Muster an, die die Straßenlaterne durch meine Gardinen an die Decke malte. Etwas war seltsam an der ganzen Sache. Der Wanninger übte nicht besonders regelmäßig Orgel. Die Stücke aus dem Gotteslob konnte er begleiten, ohne dass er Noten hatte. Manchmal raffte er sich dann doch auf und suchte für das Schlussstück etwas anderes. Das hatte er zumindest früher üben müssen.
    Aber was gingen mich der Wanninger und seine Überei an, ich wollte schlafen. Und wenn Großmutter nicht bald in ihrem Zimmer verschwinden würde, würde ich gleich morgen in der Früh Schlaftabletten aus der Apotheke holen und sie ihr beim Abendessen in den Tee geben.
    »Wie der Teufel vom Dreiwegener Kreuz«, schien sie zu murmeln, und ich hörte, wie ihre Schlafzimmertür sich quietschend schloss. Und die Schlafzimmertür würde ich auch ölen, dachte ich schläfrig.
    Dann schlief ich wahrscheinlich ein.
    Im Hintergrund donnerten Orgelklänge, und ein atonaler Bass blieb immer auf demselben Ton stehen und wummerte. Tief drinnen in meinem Blinddarm.
    »Mir ist heute Nacht was eingefallen«, sagte ich, den Mund voller Toastbrot.
    Max warf mir einen seltsamen Blick zu. Den Blick bekam er immer, wenn er nichts hören wollte.
    »Ich habe mit den Ermittlungen so direkt nichts mehr zu tun«, sagte er schließlich, während ich ihm fürsorglich Kaffee einschenkte. Nicht so direkt hieß wohl, dass alles, was nicht mit Großmutter zu tun hatte, nicht seine Angelegenheit war. Dass Max bei mir frühstückte, war eine Seltenheit. Und gerade heute geradezu eine göttliche Schicksalsfügung. Denn heute in der Früh lag das ganze nächtliche Dilemma klar vor mir. Aber ich hatte keine Lust, meine Gedanken mit Blomberg zu teilen. Außerdem war mir heute Morgen eingefallen, dass es eine prima Sache wäre, wenn Max und ich so eine Art Ermittlerduo werden könnten. Havers und Lynley. Markby und Mitchell. O.k. Ich war keine Polizistin, aber das konnte auch von Vorteil sein. Als ich ihn ansah, war mir klar, dass ihm das überhaupt nicht vorschwebte.
    »Der Wanninger.« Ich ignorierte den Blick. »Der Wanninger hat doch geübt.«
    Er zuckte mit den Schultern. »Na und?«
    »Hast du das schon einmal gehört? Wenn er übt?«
    Er verdrehte gehörig die Augen, als wollte er mir sagen, dass das für Mordermittlungen absolut unwichtig war.
    »Das ist wichtig. Weißt du, welches Stück er aufgeschlagen hatte? Beispielsweise?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Ha.« Jetzt war ich wütend. »Sag mal, uns die Weihwasserflasche konfiszieren und dann bei der Sicherung des Tatorts nicht aufpassen. Das ist wichtig. Das mit dem Stück.«
    Statt mir begeistert um den Hals zu fallen, gab er eine Art Stöhnen von sich. »Wahrscheinlich ein Stück, das er noch nicht konnte. Außerdem hat Großmutter uns lebhaft geschildert, was für eine akustische Zumutung es war«, antwortete er schließlich, vielleicht weil ich ihn so erwartungsvoll ansah. Vielleicht hatte er auch

Weitere Kostenlose Bücher