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In Ewigkeit, Amen

In Ewigkeit, Amen

Titel: In Ewigkeit, Amen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hanika
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Tastatur nach oben und schaltete mit dem Kippschalter die Orgel ein. Die leisen Geräusche erfüllten die ganze Kirche, fast meinte ich, das leise Gewisper der Gemeinde zu hören.
    Etwas irritiert sah ich ein kleines Stückchen Absperrband von der Polizei auf dem Boden zwischen den Pedalen der Orgel liegen. Außerdem lag dort Sand. Da hätt s’ besser putzen können, die Bet, hörte ich Großmutter sagen.
    »So. Jetzt spiel«, sagte ich zu Max.
    »Ich kann nicht Orgel spielen«, erklärte er mürrisch, verschränkte die Arme vor der Brust und sah mich abweisend an.
    »Spiel«, forderte ich ihn wieder auf und zeigte auf die Tastatur. »Du wirst doch noch eine Taste runterdrücken können, oder?«
    Mit mürrischem Gesichtsausdruck drückte er eine Taste. Dann drückte er die Taste noch einmal und noch einmal. Aber nichts geschah. Ich grinste. Männer wieder. Die meinten, man schaltet eine Orgel ein, und schon kann man spielen. Da sah man wieder, dass der Max ohne mich total hilflos war, wenn es um die Lösung des Falles ging.
    »Hast du eingeschaltet?«, fragte er.
    »Hm. Kaputt«, schlug ich vor. »Das war bestimmt der Schorsch. Der hat schon beim Ministrieren immer alles kaputt gekriegt. Ich weiß noch, einmal hat er den Weihrauchschwenker beim Schwenken losgelassen. Danach hatte die Bet eine Platzwunde am Kopf und musste eine Woche ins Krankenhaus.«
    Ich verbiss mir ein Grinsen. Schorsch hatte zwar den Weihrauchschwenker losgelassen, aber außer dem lauten Krachen und einer Delle im Metall war nichts passiert. Ich zog ein Register der Orgel heraus und nickte Max noch einmal zu. Er drückte eine Taste, und nun erklang ein einzelner Ton, der einsam durch die Kirche schwebte. Wie die Einleitung zu einem Stück, die Aufforderung, mehr zu spielen. Max nahm den Finger weg, und die staubige Stille hüllte uns wieder ein.
    »Ah ja«, sagte er. Er sah mich an, als wäre ich ein wenig verrückt, aber dass er damit leben könnte.
    »Lass mich mal.« Ich schob ihn weg und drückte mit meinem linken Unterarm so viel Tasten wie möglich nach unten. Der schräge Klang ließ Max zusammenzucken. Und dann zog ich die Register heraus, die möglich waren, koppelte die Register des ersten und zweiten Manuals. Das Klangvolumen steigerte sich, meine Ohren schmerzten, doch ich ließ meinen Unterarm auf der Tastatur.
    Max zog mir den Arm weg. Es wurde still.
    »Du spinnst«, sagte er nur. Er sah mich nun an, als wäre ich sehr verrückt, und als würde er sich noch überlegen, ob er damit leben könnte.
    »Ja. Klar«, nickte ich. »Aber nicht der Wanninger. Der ist doch nicht blöd und übt Orgel, während die Register auf volle Dröhnung eingestellt sind, oder? Jeder falsche Ton brüllt laut durch die Kirche.«
    Er sah mich aufmerksam an. Hatte er das verstanden? Bei Max konnte man da nie so sicher sein, er hatte eine sehr eigenartige Erziehung genossen. Seine Eltern waren evangelisch und gingen fast nie in die Kirche. Hatte man so etwas schon gehört? Ich war mir nicht einmal sicher, ob man in evangelischen Kirchen überhaupt volle Dröhnung Orgel spielte. Wahrscheinlich hatte die Pfarrerin eine Gitarre und setzte sich vor den Altar, während sie den Gemeindegesang begleitete. Wie sollte Max je diesen Mord aufklären, wenn er von katholischen Gepflogenheiten überhaupt keine Ahnung hatte?
    »Volle Dröhnung«, belehrte ich ihn, »das macht man, wenn man › Großer Gott wir loben dich ‹ singt.« Wahrscheinlich kannte er das Lied gar nicht. Ich versuchte es mit etwas anderem: »Oder › Heilig, heilig, heilig ‹ . Und die Gemeinde so laut mitsingt, dass einem die Ohren schlackern. Oder wenn der Pfarrer mit allen Ministranten durch den Mittelgang geht und die Leute wissen müssen, dass sie gefälligst stehen bleiben sollen, bis der Pfarrer in der Sakristei ist. Kapiert? Aber man übt doch nicht so.«
    »Er hat nicht geübt?«, fragte er mich und runzelte die Stirn.
    Ich zuckte mit den Schultern. Woher sollte ich das wissen. Vielleicht war er schon halb taub und musste so laut Orgel üben, um überhaupt etwas zu hören.
    » Oder der Mörder . . .«
    Oder der Mörder hatte alle Register gezogen. Im wahrsten Sinne des Wortes.
    Als wir wieder hinunterstiegen und durch die Kirche gingen, stellte sich uns die Kathl resolut in den Weg und musterte Max etwas abfällig. »Sind Sie der neue Organist?«
    Ich grinste und ging weiter. Da hatten die Rosenkranztanten was zum Erzählen. Der neue Organist, der legt sich auf die Tastatur. Der spielt

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