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In Ewigkeit, Amen

In Ewigkeit, Amen

Titel: In Ewigkeit, Amen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hanika
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nicht zudecken können und deswegen nur schaurige Töne hervorbringen. Nicht der Sebastian Lehmer. Der bekam schon mit fünf Jahren in der Stadt Klavierunterricht von einem richtigen Klavierlehrer. Und musste üben.
    »Die Lehmerin, die spinnt«, hatte die Kathl immer gesagt. »Wenn der Bua an Vatta hätt, dann wär des alles ned a so. A Bua, der Klavier spielt. Der wird doch noch . . .« Sie machte einen Gesichtsausdruck, als könnte der Bua entweder Sex haben, SPD wählen oder tot sein.
    Klavierspielen war also auch so etwas in der Richtung. Das machte man als Junge anscheinend nicht. Eigentlich sollte er ja Orgel spielen lernen. Weil die Orgel die Königin unter den Instrumenten sei, hatte die Lehmerin behauptet. Das einzige Problem waren die Pudscheks. Die wollten und wollten den armen kleinen Sebastian nicht auf der Orgel üben lassen. Sie wollten auch nicht, dass er während der Messe spielte. Nicht einmal bei einem Requiem durfte er einmal. Ich konnte das nicht verstehen. Also, dass der Sebastian so gerne während der Messe gespielt hätte. Aber noch weniger konnte ich verstehen, dass der Wanninger ihn nicht an die Orgel gelassen hatte.
    Aber jetzt hatte sie es ja geschafft, die Lehmerin. Jetzt konnte der Wastl Orgel spielen, wann immer er Lust hatte. Und seine Mutter stolz auf der Kirchenbank sitzen.
    Ich warf den letzten Apfel in Richtung Kompost, aber er zerplatzte schon vorher, weil ich schlecht gezielt und einen Baum getroffen hatte. Als ich hinter mir etwas hörte, zuckte ich schuldbewusst zusammen. Äpfel Richtung Kompost pfeffern, das tat man nicht. Ich war richtig erleichtert, dass der Schorsch vor mir stand und nicht Großmutter. Schorsch sah mich aber reichlich seltsam an.
    »Lisa. Grüß dich«, sagte er etwas gequält.
    »Schorsch. Grüß dich«, antwortete ich etwas genervt.
    »Bei euch geht keiner ans Telefon.«
    Ah ja.
    Jetzt wollte ich wirklich nicht wissen, was uns der Schorsch in seiner Funktion als Polizist zu sagen hatte.
    »Prüft ihr jetzt Alibis?«, fragte ich etwas freundlicher. »Meins? Das von Großmutter?«
    Habt ihr auch das von der Lehmerin geprüft, wollte ich nicht fragen. Oder das vom gesunden Sebastian. So was sagte man nicht. Obwohl ich die Lehmerin höchst verdächtig fand. Es war zwar total übertrieben, gleich den Organisten zu erstechen, nur dass der Bub mal beim Hochamt spielen darf, aber wusste man es? Wusste man von der Lehmerin überhaupt irgendetwas? Vielleicht war der Wanninger ja auch der Vater vom Sebastian, und die Lehmerin konnte nicht mehr an sich halten.
    »Ihr müsst einmal vorbeikommen. Nur Routine«, sagte er in einem Tonfall, als wäre ich für die letzten zehn Kettensägenmassaker verantwortlich.
    Vielleicht hatte ich deswegen wieder mein elendes Pudschek-Gefühl. Vielleicht aber auch, weil der Wind wieder an uns riss.
    »Wie war das eigentlich damals mit dem Pudschek?«, fragte ich statt einer Antwort.
    Er sah mich wieder so an. Als wüsste er etwas, was alle wussten, nur ich nicht.
    »Weißt du das nicht mehr?«, fragte er. »In dem Herbst. Der Sturm.«
    Natürlich. Da war dieser eine Sturm mit dem netten Namen, den ich vergessen hatte.
    »Beim Sepp seiner Scheune is des Dach wegg’flogen. Nur weil a paar Schindeln g’fehlt ham. Und beim Schmalzl-Wirt hat’s den Kamin wegblasen.«
    Freilich. Dass ich das nicht mehr wusste. Wir waren alle zum Schmalzl gegangen und hatten uns gegenseitig angestoßen. Das war ein super Loch in dem Dach gewesen, und am Boden hatten lauter zerbrochene Dachziegel gelegen.
    »Ein Tornado!«, hatte mich die Anneliese begeistert angestoßen. »Wups. Der Kamin. Einfach in die Luft. Und stell dir vor, wenn da unten einer g’standen wär.«
    Der wär jetzt nämlich mauserltot, wenn ihm der Schmalzl-Kamin um die Ohren gesaust wäre. Wir hatten sehr pietätvoll auf die Scherben geguckt, die uns sehr düster und verdammt vorgekommen waren.
    Und dann war der Schmalzl-Wirt mit einem Besen und einer Kehrschaufel gekommen und hatte gesagt: »Jetzt schleicht’s euch.«
    Und das hatten wir dann auch gemacht.
    Ich sah plötzlich einen braunen Janker in unserem Vorgarten liegen. In meinen Ohren dröhnte laut ein ganz bestimmtes, verhasstes Geräusch, das eigentlich gar nicht so laut war. Tausend Blätter, die über die Straße wirbelten. Es klang so, als würde eine Mini-Bisonherde an unserem Haus vorbeigaloppieren. Die Birke vom alten Reisinger hatte sich so im Wind geschüttelt, dass die Äste gegen die Fenster und die Wand gepeitscht

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