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In Ewigkeit, Amen

In Ewigkeit, Amen

Titel: In Ewigkeit, Amen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hanika
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mit nichts rausrücken.
    Missmutig sah ich wieder aus dem Fenster und beobachtete den Schneider. Er hatte die Garage offen stehen und arbeitete gerade in der Einfahrt. Herr Schneider war ein Werkzeugfetischist. Er hatte in seiner Garage eine riesige Wand, an die für jedes Gerät, das dort hängen konnte, der Schattenriss gezeichnet war. Gerade fehlte ein Werkzeug, dessen Schattenriss ungefähr aussah wie ein steinzeitlicher Speer zur Mammutjagd. Neugierig spähte ich hinüber. Interessant. Was konnte das sein?
    Schneider hatte einen verbissenen Gesichtsausdruck. Immerhin wusste ich jetzt, wie der Schneider es fertig brachte, dass kein Gras, Löwenzahn und Moos zwischen seinen Pflastersteinen wuchs. Es gab da extra Pflastersteinspeere. Mit zornigen Stößen stieß er das Teil in die Fugen, dass der Dreck nur so flog. Mich überlief ein leichter Grusel, als ich mir vorstellte, dass der Wanninger mit so viel Schwung ein Messer in den Rücken bekommen hatte.
    Hinter der Schaufensterscheibe vom Metzger sah ich verschwommen eine ganze Reihe Leute stehen, die sich angeregt unterhielten. Bis die Langsdorferin wieder herauskam, konnte es also dauern. Vielleicht besprachen sie gerade die Alibis sämtlicher Rosenkranztanten. Und ich bekam nichts mit. Wahrscheinlicher war es, dass sie gerade mit der hochexplosiven Frage beschäftigt waren, wer an Allerheiligen auf welches Grab › gehen ‹ würde. Als würde man an diesem Tag über die Gräber spazieren. Nein. Man stand eigentlich ganz ordentlich vor dem Grab, las tausendmal die Daten, die auf dem Grabstein standen. Und es war sehr wichtig, dass sich möglichst viele Leute um einen Grabstein scharten. Nichts war schlimmer als die mitleidsvollen Blicke zum Nachbargrab, wo sich nur ein Einziger scharte, während man selbst zu zehnt war.
    Ärgerlich auf die ganze Welt lehnte ich mich zurück. Mutter wäre einfach weitergefahren. Mutter hätte auch einfach weggeschaut, wenn sich die Langsdorferin vor ihr Auto gestellt hätte. Andererseits bestand natürlich die Gefahr, dass in der Metzgerei Informationen ausgetauscht wurden, die ich aus der Langsdorferin herauskitzeln konnte. Und wenn ich weiterfuhr, hatte ich das Nachsehen. Da ich einfach zu feige war, hineinzugehen, war es bestimmt nicht schlecht, auf sie zu warten und sich eine Zusammenfassung anzuhören.
    Der Schorsch, fiel mir plötzlich ein. Der hatte ja auch mit dem Fall zu tun. Und aus dem was rauszukitzeln war bestimmt viel einfacher als aus Max. Ich musste mir nur ein nicht allzu blödes Interviewthema ausdenken.
    Ich beobachtete eine Weile die angelaufene Metzgersscheibe und stellte mir vor, was die Kathl gerade erzählte. Es sah sehr emotionsgeladen aus. Das sprach eigentlich dagegen, dass es um den Wanninger-Mord ging. Denn wenn etwas emotionsgeladen war, dann die Sache mit dem Gräberstehen.
    Zum Beispiel bei der Kathl, als der Alois noch gelebt hatte. Der musste auf den Friedhof bei der nächsten Kirche, weil dort sein Vater lag. Das ging ja noch. Aber dann die Frage, wo sollen die Kinder hingehen? Zu den Großeltern väterlicher – oder mütterlicherseits? Irgendwann löst sich so ein Problem natürlich. Irgendwann waren die Kinder so groß, dass sie Gräberstehen spießig fanden und lieber vor dem Fernseher lagen. Dann ging Alois wegen seines › ewigen Bieselns ‹ nicht mehr zum Grab seines Vaters, sondern zu dem von Kathls Eltern, weil wir beim Leichenhaus eine Toilette haben. Irgendwann ging er dann auf gar keine Gräber mehr, weil ihn der Harndrang ständig quälte.
    In unserer Familie gab es da keinen Streit. Großmutter und ich scharten uns, seitdem Mutter uns verlassen hatte, immer zu zweit um den Grabstein meiner Urgroßmutter. Und ich hätte nicht einmal im Traum daran gedacht, mich vor einen Fernseher zu legen, obwohl ich inzwischen ja sogar einen hatte. Aber das Verweigern vom Gräberstehen war eine ernste Angelegenheit. Da konnte man sich leicht einen abgestorbenen Arm einhandeln. Oder zumindest eine verfaulte Zehe, oder so.
    Ich hatte plötzlich das Gefühl, dass ich eine wichtige Spur gefunden hatte. Gräberstehen, versuchte ich mir selbst auf die Sprünge zu helfen. Allerheiligen. Allerheiligen. Allerheiligen. Ich wusste, ich war kurz davor, mich an etwas sehr Wichtiges zu erinnern.
    Allerheiligen?
    Früher hatte Großmutter Allerheiligen viel mehr zelebriert. Inzwischen ging sie zwar mit, aber sie überließ es mir, ein Gesteck auf das Grab zu stellen. Die Sache mit der Küche ließen wir beide

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