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In Ewigkeit, Amen

In Ewigkeit, Amen

Titel: In Ewigkeit, Amen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hanika
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»Heilige Maria Mutter Gottes« anzuhängen. In den drei Buchstaben lag so viel Zufriedenheit, dass ich endlich wusste, was wahres Glück war.
    Als ich wieder auf die Straße trat, hatte ich keinen Bierschinken gekauft, sondern einen Schnittlauchkäse. Den gab es seit Neuestem auch beim Metzger. Nach der Sache mit der Mare hatten sich nämlich die Langsdorferin und die Bet noch über den Gammelfleischskandal unterhalten. Und die Langsdorferin hatte gesagt: »Also wirklich, da vergeht’s einem doch. Die haben sogar eine Kuh mit einem riesigen G’schwür geschlachtet. Wenn man sich des mal vorstellt. So ein G’schwürl kann ja auslaufen. Dann hat man den ganzen Sabber auf dem Fleisch. Und der alte Doktor, der sieht doch nimmer g’scheit. Ob der überhaupt schaut, welche Kuh ein G’schwürl hat oder nicht.«
    Unser Tierarzt war nämlich ungefähr 150 Jahre alt und hatte keine Lust mehr, sich Geschwüre anzuschauen, beziehungsweise konnte sie überhaupt nicht mehr sehen. Und seine Vertretung, eine junge Frau Doktor, wie die Langsdorferin spöttisch sagte, wollte sich ihre neuen Gummistiefel nicht schmutzig machen und stellte mehr so eine Art Ferndiagnose. Vielleicht weil sie das Würgen bekam, wenn sie die G’schwürln sah. Und weil sie lieber ein paar gemästete Dackel gestreichelt und behandelt hätte, als kranke Kühe gesund zu stempeln.
    »Und wir Deppen essen den Krampf«, hatte die Langsdorferin gesagt.
    Die Metzgerin hatte ausgeschaut, als würde ihr gleich ein Geschwür platzen, und zwar eines im Magen, und gezischt, dass es bei ihnen nur beste Ware gab. Aber ich war trotzdem zur Überzeugung gelangt, dass Schnittlauchkäse in dieser Jahreszeit meinen Vitaminbedarf bestimmt besser abdeckte als Bierschinken.
    Jedenfalls war es eine blöde Idee gewesen, die Vergangenheit des Metzgers in der Metzgerei durchleuchten zu wollen. Schließlich konnte ich schlecht seine Frau nach dem Alibi fragen. Vielleicht sollte ich eher mit der Langsdorferin ein Stückchen mitgehen und ein paar unauffällige Fragen stellen. Die konnte sich bestimmt erinnern, wieso sich der Pudschek und der Metzger früher nicht hatten leiden können. Und was der Metzger gegen den Wanninger haben konnte.
    Während ich noch unschlüssig vor der Metzgerei stand, kam die Bet heraus, sah an mir vorbei und ging Richtung Kirche. Wahrscheinlich war sie wieder mit Putzen dran. Zumindest hatte sie eine kleine Stofftasche dabei, aus der ein Stück einer geblümten Kittelschürze herausragte, die Arbeitskleidung einer kirchlichen Putzfrau. Die Bet würde mir bestimmt nichts verraten. Außerdem mochte ich mit ihr überhaupt nicht mehr reden, seit sie Großmutter angeschwärzt hatte. Die dumme Kuh, die dumme.
    Eine Weile sah ich ihr nach, beobachtete, wie sie leicht schief und zielstrebig auf dem Bürgersteig entlanghastete. Immer ausgefüllt von dem inneren Drang, andere Leute auf den rechten Weg zu bringen. Seltsam, dass manche Leute, sobald sie die Vierzig überschritten hatten, so abrupt alterten. Von heute auf morgen trugen sie hellbraune Mäntelchen, hatten dünne Beinchen oder dicke Beinchen, je nachdem. Jedenfalls sahen sie plötzlich zeitlos alt aus. Bei manchen fing das schon mit dreißig an. Beispielsweise bei der Bet. Bet hatte schon immer alt ausgesehen, vielleicht schon als Kind. Und jetzt zog sie sich auch noch an, als wäre sie alt. Dabei war sie vielleicht . . . hm. Wie alt war Bet eigentlich? Irgendetwas zwischen dreißig und hundert Jahren.
    Du sollst deinen Bruder nicht hassen in deinem Herzen, fiel mir ein, obwohl ich nicht wusste, wieso. Du sollst dich nicht rächen noch Zorn bewahren gegen die Kinder deines Volkes. Ich versuchte den Gedanken abzuschütteln. Denn an irgendetwas erinnerte mich dieser Gang. Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst, schwappte das nächste Bibelzitat hoch, und ich hob noch einmal den Blick.
    Der hellbraune Mantel flatterte im kalten Wind. Zielstrebig verschwand die Bet um die Ecke, und ich konnte einen letzten Blick auf ihre Stofftasche erhaschen.
    Jetzt wusste ich auch, woran sie mich erinnerte. Der Bet ihre Mutter. Die war auch immer zum Kirchenputzen gegangen und hatte genau so ausgesehen. Diese dicken wollenen Strümpfe an den stämmigen Beinen, dazu die halbhohen flachen Stiefel, die irgendwie klumpenähnlich an den Füßen steckten. Ich hatte keine Ahnung, wo es so etwas noch zu kaufen gab. Vielleicht war es ja der Mantel ihrer Mutter, den sie trug. Das gute Stück, hatte sie bestimmt gesagt.

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