In Ewigkeit verflucht
ein recht fremdes Thema war, und Bill, der gern in die Schweiz fuhr, schwärmte wieder vom Oberen Engadin.
»Für viele Menschen ist das Tal wirklich das schönste der Welt.«
»Kenne ich. Es liegt zwar schon zurück, aber da habe ich in St. Moritz einen Fall lösen müssen.«
»Stimmt. Ich kann mich erinnern.« Bill lehnte sich zurück. Vielleicht bist du schneller wieder dort, als du es dir vorstellen kannst.«
Ich nahm es locker. »Du willst mich einladen? Für einen Beamten sind die Preise dort etwas zu hoch.«
»Man kann sich auch bescheiden.«
»Das sagst ausgerechnet du.«
»Im Ernst, John. Es kann durchaus sein, dass wir uns auf die Reise machen müssen.«
Sheila holte nach dieser Antwort schnaufend Atem, hielt sich mit einem Kommentar jedoch zurück.
»Worum geht es?«, fragte ich, denn nun war mir klar, dass der zweite Teil des Abends begann.
»Um eine verschwundene Gruppe von jungen Studenten. Sie fuhren ins Engadin, um dort zu forschen. Tja, dann ist es passiert. Sie wollten nicht mehr zurück nach London. An die Eltern wurden Briefe geschrieben und E-Mails verschickt. Die Texte waren alle gleich. Darin wurde erklärt, dass niemand mehr aus der Gruppe an eine Rückkehr dachte, weil sie sich jetzt zum Kreis der Auserwählten zählten und einen neuen Sinn für ihr Leben gefunden haben.«
Meine Lockerheit gab es nicht mehr. Die Realität hatte mich wieder. Dennoch blieb ich gelassen.
»Wie viele sind es denn gewesen?«
»Sie waren insgesamt sechs Personen. Drei junge Frauen und drei Männer.«
»Keiner kehrte zurück?«
»Keiner.«
»Wie haben die Eltern reagiert?«
Bill trank einen Schluck Bier, bevor er antwortete.
»Die waren natürlich entsetzt. Sie haben versucht, Kontakt mit ihren Kindern aufzunehmen. Die Schweizer Polizei war auch hilfsbereit. Nur ist es den Leuten nicht gelungen, auch nur einen der Studenten zu finden. Sie sind wie vom Erdboden verschwunden.«
»Seit sie sich zum Kreis der Auserwählten zählen – oder?«
»Genau das, John.«
»Und wer oder was steckt hinter diesem Kreis?«
Bill fuhr mit dem Daumennagel über eine Furche in seiner Stirn hinweg.
»Das kann ich dir auch nicht sagen. Es gibt keine Informationen. Wenn du versuchst, etwas im Internet zu finden, hast du mit Zitronen gehandelt. Da gibt es nichts.«
»Aber sie haben E-Mails geschickt.«
»Klar. Ist auch kein Problem. Da gibt es genügend Möglichkeiten.«
»Hast du dir Gedanken darüber gemacht? Hast du * persönlich etwas damit zu tun? Oder warum kennst du dich so gut aus?«
»Persönlich nicht. Sheila und ich kennen zwei Elternpaare. Sie haben uns informiert. Sie wussten sich keinen Rat mehr, nachdem auch ein engagierter Detektiv keine Ergebnisse brachte.«
»Fand er nichts heraus?«
»Nein. Das ging auch nicht. Man hat ihn gefunden. Tot zwischen die Felsen geklemmt. In seinem offenen Mund steckte eine tote Kröte. Wahrscheinlich ist er daran erstickt. Du siehst also, dass die Auserwählten nicht eben positiv auserwählt worden sind.«
»Der Begriff lässt auf eine dieser gefährlichen Psycho-Sekten schließen«, sagte Glenda.
Bill schnippte mit den Fingern. »Bingo. So wird es auch gewesen sein. Die sechs Studenten sind leider in den Kreislauf einer Sekte hineingeraten. Ich kann mich daran erinnern, dass in den vergangenen Jahren in der Schweiz schon einiges passiert ist. Der Massenselbstmord dieser Sonnensekte ist wohl noch jedem von uns in Erinnerung. Ich will ja keine Pferde scheu machen, aber es könnte möglicherweise das Gleiche bei den Auserwählten passieren.«
»Das wäre fatal«, flüsterte Sheila.
»Du sagst es. Deshalb müssen wir was tun.«
»Ihr?«
»Ja, Sheila. Du hast selbst die verzweifelten Eltern erlebt. Irgendwie fühle ich mich schon schuldig, wenn ich nichts tue. Deshalb würde ich gern auch John’s Meinung dazu hören.«
Ich schaute an Bill vorbei in das hintere Ende des Gartens. »Ja, so etwas bringt uns natürlich zum Nachdenken. Da kommen Dinge zusammen, die nicht zusammengehören. Und wenn ich den Begriff Auserwählte höre, bringt das bei mir eine Saite negativ zum Klingen.«
»Ist das ein Fall für uns?«
Ich gab Bill keine konkrete Antwort. »Es ist also in der Nähe von St. Moritz passiert. Gut. Aber was suchte die Gruppe da? Haben die Studenten Ferien gemacht?«
»Nein. Sie haben eine kleine Forschungsgruppe gebildet. Sie wollten vier Wochen dort bleiben, um Gestein zu untersuchen. Die Leute studieren Mineralogie und auch Geologie. Sie sind also vom
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