In Ewigkeit verflucht
Terrasse war nicht geschlossen. Licht flutete in den Gastraum, an dessen Wänden die Bilder einheimischer Künstler hingen.
Ein Restaurant befand sich im hinteren Teil des Hotels, und zu den Zimmern führte eine Treppe von der Rezeption aus hoch.
Man hatte uns gehört. Aus dem hinteren Teil näherte sich eine Frau. Sie trug eine rote Bluse und eine schwarze Hose. Als sie uns sah, lächelte sie.
»Herr Conolly, wie schön, Sie wieder hier zu sehen. Hatten Sie eine gute Zeit? Und wie geht es Ihrer Frau?«
»Gut, Frau Prager.« Bill reichte ihr die Hand und stellte mich vor.
Freundliche Augen schauten mich an. Blondbraunes Haar umgab das Gesicht der etwa 40jährigen Frau, die uns zu einem Willkommensschluck einlud. Wir gingen auf die Terrasse, wo wir in der Sonne baden, aber auch im Schatten sitzen konnten.
Bill und ich entschieden uns für den Schatten, denn in dieser Höhe – knapp unter 2 000 Meter – hatte die Sonne verflixt viel Kraft. Man holte sich schneller einen Sonnenbrand, als man denken konnte.
Die Drinks bestanden aus einer Mischung von Campari und Sekt. Auf der Oberfläche schwamm eine Zitronenscheibe.
»Wohl bekomm’s«, sagte Vera Prager und setzte sich zu uns.
Sie ließ uns trinken. Beide waren wir von dem Getränk angetan, und als wir die Gläser abgesetzt hatten, beugte sich Frau Prager vor.
»Darf ich eine Frage stellen, Herr Conolly?«
»Immer doch.«
Sie war etwas verlegen, aber sie schaffte es doch, die Worte zu formulieren. »Bitte, verstehen Sie mich nicht falsch, aber ich wundere mich, dass Ihre Frau nicht dabei ist. Außerdem haben Sie nur für drei Tage reserviert. Ein wenig kurz, finde ich.«
Bill lächelte. »Sie haben Recht, Frau Prager, aber es ist kein Urlaub, wie ich schon andeutete.«
»Ja, und das hat mich überrascht. Ich weiß, dass Sie Reporter sind. Ihr Kollege auch?«
»Nicht direkt.« Bill wich einer klaren Antwort aus. »Es geht schon in Ordnung. Ich bin Reporter und diesmal dienstlich hier.«
»Ach. Sie wollen einen Bericht über das Engadin schreiben?«
»Nein, ganz und gar nicht. Es geht hier um einen sehr rätselhaften Fall, in dem wir recherchieren.«
»Hier in Celerina?«, fragte Vera Prager verwundert.
»Und Umgebung.«
Sie überlegte einen Moment und legte dabei die Kuppen der Finger gegeneinander. »Das hört sich spannend und geheimnisvoll an. Kann es ein Kriminalfall sein?«
»Genau.«
Vera Prager sagte zunächst nichts. Ihr Lächeln verriet Unsicherheit. Auch hob sie die Schultern an. »Ich wüsste nicht, welch ein Fall hier zu recherchieren ist. Zwar wohne ich hier, aber mit Kriminalfällen habe ich noch nicht zu tun gehabt. Unsere Polizei ist praktisch arbeitslos. Das muss man so sehen.«
»Dazu kann man ihnen gratulieren. Leider gibt es immer wieder die berühmten Ausnahmen.«
»Hinter denen Sie her sind?«
»Genau.«
Ihre Neugierde war geweckt worden. »Worüber genau wollen Sie denn berichten?«
Ich hatte mich bisher an dem Gespräch nicht beteiligt. Das änderte ich jetzt. »Es geht um einen Fall, der noch nicht lange zurückliegt. Er wird sich bestimmt herumgesprochen haben. Reto Kirchner. Sagt Ihnen der Name etwas?«
Das Lächeln verschwand aus Vera Pragers Gesicht. Die sommerliche Bräune zeigte plötzlich eine gewisse Blässe. »Ja, und ob ich mich daran erinnere. Das ist ja hier in Celerina passiert. Reto Kirchner muss etwas Fürchterliches erlebt haben, und das ausgerechnet in der Kirche. Er ist völlig verstört aus dem Gotteshaus gelaufen. In einem Heustadl hat er sich versteckt. Der Bauer fand ihn am anderen Morgen.«
»Sie wissen auch, was er erlebte?«
»Nein, nicht genau. Man hat ihn ja in die Klinik gesteckt. Da befindet er sich nicht mehr. Man hat ihn wieder zu seinen Eltern nach Hause geschickt. Sie leben natürlich hier.«
»Was hat sich denn herumgesprochen?«, fragte Hill.
Frau Prager winkte ab. »Ach, das ist alles so eine Satelli heiraten. Verlobt waren die beiden schon. Man hat sie sogar als Ehepaar gesehen, aber dazu ist es nicht gekommen.« Sie schüttelte den Kopf. »Elisa ist eine sehr gläubige junge Frau. Sie ging oft in die Kirche. Jeden Tag sogar. Das hat ihrem Verlobten nicht gefallen. Er war wahnsinnig eifersüchtig. Zudem wurde ein Gerücht gestreut, dass Elisa ihn betrügen würde, und zwar an einem Ort, an dem man es nicht vermutet.«
»In der Kirche?«
Vera Prager nickte mir zu.
»Stimmt das denn?«
»Ich weiß es nicht«, sagte sie leise. »So etwas kann ich mir auch nicht vorstellen.
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