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In feinen Kreisen

In feinen Kreisen

Titel: In feinen Kreisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Anderson Mrs. Stourbridge nicht getötet haben kann, und ich glaube Ihnen, dass Sie Treadwell nicht umgebracht haben. Wenn es darauf eine andere Antwort gibt, werde ich sie finden.«
    Sie schüttelte verzweifelt den Kopf. »Das können Sie nicht«, flüsterte sie. »Tun Sie nur alles, damit man Cleo nicht hängt. Sie hat lediglich die Medikamente gestohlen – das ist ihr ganzes Vergehen.«
    Rathbone gönnte sich ein spätes Mittagessen in seinem Club. Dort würde er vollkommene Ruhe finden, und die brauchte er nun. Dann nahm er einen Hansom zum North London Hospital, um Hester aufzusuchen. Er sah dieser Begegnung mit gemischten Gefühlen entgegen, aber sie war unvermeidlich. Er hatte Hester seit ihrer Hochzeit nicht mehr allein gesprochen, war sich aber immer dessen bewusst, dass diese Begegnung für ihn sehr schmerzlich sein würde.
    Er saß in der Droschke, während diese in eiligem Tempo durch die Straßen fuhr, und nahm nichts von seiner Umgebung wahr.
    Er hatte sich überlegt, was er Hester sagen, welche Haltung er ihr gegenüber einnehmen sollte, und er hatte seine Meinung ein Dutzend Mal geändert.
    Als sie das Krankenhaus erreichten, bezahlte er den Kutscher und stieg aus. Dann ging er die Stufen zum Eingang hinauf. Er traf auf sie, noch bevor er Zeit gehabt hatte, sich darauf einzustellen. Sie kam mit schnellem, entschiedenem Schritt durch den breiten Korridor, in einem sehr schlichten blauen Kleid mit schmalem weißen Spitzenkragen, das wie eine Art Uniform aussah. Bei jeder anderen Frau hätte es vielleicht ein wenig abweisend gewirkt, aber genauso hatte er sie immer gesehen: als Krankenschwester, die zielstrebig einer Tätigkeit nachging, immer bereit, sich in die eine oder andere Auseinandersetzung zu stürzen. Die Vertrautheit ihrer Erscheinung verschlug ihm fast den Atem.
    »Oliver!« Sie war überrascht, ihn zu sehen, und auch erfreut. Er zwang sich zu einem Lächeln. »Ich hatte gehofft, Sie zu treffen. Ich störe doch nicht?«
    »Haben Sie irgendwelche Neuigkeiten?« Sie sah ihm forschend ins Gesicht.
    Er durfte nur an den Fall denken. Sie hatten ein gemeinsames Ziel, ein Ziel, das nicht weniger wichtig war als die, für die sie in der Vergangenheit gekämpft hatten. Das Leben von zwei Frauen hing davon ab.
    »Nur sehr wenig«, erwiderte er und machte einen Schritt auf sie zu. Er nahm den schwachen Duft eines Parfüms wahr. Alles in ihm sehnte sich danach, ihr nahe zu sein. Sie war so anders jetzt, weniger verletzlich als früher. Und doch war sie in vieler Hinsicht dieselbe geblieben: kampfbereit, halsstarrig, unvernünftig, eigenmächtig.
    Ihre Wangen überzogen sich mit einem Hauch von Röte, als habe sie seine Gedanken erraten.
    Er wandte den Blick ab und tat so, als seien seine Gedanken ganz mit juristischen Dingen beschäftigt.
    »Ich habe sowohl Cleo Anderson als auch Miriam Gardiner aufgesucht. Beide leugnen, direkt oder indirekt mit den Morden zu tun zu haben, aber zumindest Miriam belügt mich, was die Morde betrifft. Sie weiß, wer sie begangen hat, aber ich glaube ihr, wenn sie sagt, dass nicht sie es war. Ich habe schließlich Lucius Stourbridge noch nicht kennen gelernt.«
    Sie erschrak. »Glauben Sie, er sei in der Lage, seine eigene Mutter zu töten?«
    »Ich hoffe nicht, aber es sieht so aus, als sei der Täter in der Familie zu suchen – oder aber es war tatsächlich Miriam Gardiner«, wandte er ein.
    Sie sah im Korridor nach links und rechts. »Kommen Sie mit in den Warteraum. Im Augenblick ist dort niemand. Dort können wir ungestört reden.«
    Sie öffnete die Tür und ging voran. Er zog sie hinter sich zu und versuchte, seine Gefühle zu beherrschen. Es gab weitaus wichtigere Dinge zwischen ihnen.
    »Major Stourbridge?«, fragte er. »Oder der Bruder, Aiden Campbell?«
    Sie sah ihn an. »Ich weiß es nicht. Ich kann mir keinen Grund vorstellen, warum einer von ihnen Mrs. Stourbridge oder Treadwell hätte töten sollen. Aber er war ein Erpresser! Wenn er Cleo erpresst hat, hat er es vielleicht auch mit anderen getan. William sagt, er habe anscheinend mehr Geld verprasst, als Cleo aufbringen konnte, daher muss es noch andere Opfer gegeben haben.«
    »Lucius?«
    »Mag sein«, sagte sie leise. »Das würde erklären, warum Miriam ihn zu schützen versucht, auch wenn sie sich selbst damit ins Unglück stürzt.«
    Es würde Miriams Weigerung erklären, ihnen die Wahrheit zu sagen. Aber es fiel ihm trotzdem schwer, dies zu glauben.
    »Mir fallen beim besten Willen keine Argumente

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