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In feinen Kreisen

In feinen Kreisen

Titel: In feinen Kreisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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sogleich Rathbone und dem Gericht zu.
    »Mrs. Gardiner«, sagte Rathbone leise. »Ich verstehe jetzt, warum Sie lieber für ein Verbrechen hängen wollten, das Sie nicht begangen haben, als zuzulassen, dass Lucius Stourbridge die Wahrheit über seine Geburt erfährt. Aber das ist jetzt nicht länger möglich. Ebenso wenig kann Aiden Campbell weiterhin seine Taten leugnen oder die Schuld auf Sie abwälzen. Ich verlange nicht von Ihnen, dass Sie noch einmal eine Vergangenheit durchleben, die unvorstellbar schmerzlich für Sie gewesen sein muss, aber die Gerechtigkeit macht es notwendig, dass Sie den Geschworenen mitteilen, was Sie über den Tod von James Treadwell und Verona Stourbridge wissen.«
    Miriam nickte schwach, dann begann sie mit leiser, erschöpfter Stimme zu sprechen.
    »Ich bin von dem Krocketspiel weggelaufen. Zuerst war es mir egal, wo ich hinging, ich wollte nur weg von dem Haus und allein sein – um zu versuchen, das zu begreifen, was geschehen war, was es war, woran ich mich erinnert hatte – ob es wirklich die Wahrheit sein konnte. Mehr als alles andere auf der Welt wünschte ich mir, dass es nicht so wäre.« Sie hielt kurz inne.
    »Natürlich war es wahr, aber zu diesem Zeitpunkt konnte ich das noch nicht akzeptieren. Ich rannte zu den Ställen und flehte Treadwell an, mich irgendwohin zu fahren. Ich gab ihm mein Medaillon als Bezahlung. Er war habgierig, aber nicht durch und durch schlecht. Ich bat ihn, mich nach Hampstead Heath zu fahren. Ich verriet ihm nicht, warum. Ich wollte an den Ort zurückkehren, wo die arme Mrs. Bailey getötet wurde, um mir ins Gedächtnis zu rufen, was wirklich geschehen war – ob das Bild, das auf dem Krocketrasen in meiner Erinnerung so jäh aufgeblitzt war, nicht vielleicht eine Art von Wahnsinn war.«
    Jemand hustete, und das Geräusch ließ die Menschen in der spannungsgeladenen Stille zusammenzucken.
    »Aiden Campbell muss begriffen haben, was in dem Augenblick in mir vorging«, fuhr sie fort. »Er hat sich ebenfalls erinnert und vielleicht wusste er, wo ich hingehen würde. Er folgte uns und fand uns in der Nähe des Baums, in dem Mrs. Baileys Leichnam versteckt war. Er musste Treadwell töten, wenn er mich töten wollte, sonst wäre er für den Rest seines Lebens erpresst worden. Er hat sich zuerst auf Treadwell gestürzt. Treadwell war vollkommen überrascht und konnte nicht mehr reagieren.
    Ich bin geflohen. Ich kannte die Gegend besser als er, da ich noch vor kurzem und viele Jahre in der Nähe der Heide gelebt hatte. Vielleicht verlieh mir die Verzweiflung Flügel. Es wurde bereits dunkel. Ich bin ihm entkommen. Danach wusste ich nicht, wohin ich mich wenden oder was ich tun sollte. Zu guter Letzt, am nächsten Morgen, ging ich zu Cleo Anderson… wieder einmal. Aber diesmal konnte ich selbst ihr nicht sagen, was ich wusste. Ich konnte es nicht ertragen.«
    »Und der Tod von Verona Stourbridge, nachdem die Polizei Sie in die Obhut der Stourbridges gegeben hatte?«, fragte Rathbone weiter.
    Sie sah ihn an. »Ich konnte es niemandem sagen…«
    »Das verstehen wir. Was wissen Sie über Verona Stourbridges Tod?«
    »Ich glaube, sie dachte immer, Lucius sei… ein ausgesetztes Kind gewesen. Sie verbarg die Wahrheit vor Major Stourbridge, aber sie wusste nichts über ein Verbrechen, nur über ihren eigenen Betrug, der aus ihrer Verzweiflung erwuchs, dass sie ihrem Mann niemals ein Kind würde schenken können. Mir ist heute klar, dass sie wusste, dass es Aidens Kind war, aber sie wusste nichts über mich, nichts darüber, wie er zu dem Kind gekommen war. Sie hatte Aiden sicher danach gefragt – und obwohl er sie liebte, konnte er ihr nicht die Wahrheit sagen.« Ihre Stimme wurde leiser. »Ganz gleich, wie nahe die beiden einander standen, und sie standen sich wirklich sehr nahe, Verona hätte sich eines Tages vielleicht jemandem anvertraut – sie hätte es tun müssen –, um zu erklären…« Beinahe gegen ihren Willen richtete ihr Blick sich auf Lucius, der auf einer der vorderen Bänke saß. Die Tränen rannen ihm über die Wangen.
    »Es tut mir so Leid«, wisperte Miriam. »Es tut mir so – so Leid…«
    Rathbone wandte sich an den Richter.
    »Euer Ehren, ist es wirklich notwendig, das hier noch weiter in die Länge zu ziehen? Können wir uns vielleicht für eine Stunde oder länger vertagen, bevor wir zum Schluss kommen? Ich habe keine Fragen mehr, und ich kann mir nicht vorstellen, dass Mr. Tobias die Angelegenheit weiter verfolgen möchte.«
    Tobias

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