In feinen Kreisen
Angelegenheit bereits mehrfach erörtert. Als Vorstand des Verwaltungsrates dieses Krankenhauses muss ich sehr viele Dinge berücksichtigen, wenn ich meine Entscheidungen treffe, und die Kostenfrage muss mit an oberster Stelle stehen. Ich dachte, ich hätte Ihnen diesen Umstand hinreichend erläutert, aber wie ich sehe, waren meine Bemühungen vergeblich…« Er holte Atem, um fortzufahren, aber diesmal war es Callandra, die seinen Redefluss unterbrach.
»Ich verstehe Sie vollkommen, Mr. Thorpe. Und ich bin nicht Ihrer Meinung. Alles Geld der Welt ist verschwendet, wenn man es dafür benutzt, einen Patienten zu operieren, der anschließend nicht angemessen weiterversorgt wird.«
»Lady Callandra«, erwiderte er mit einem tiefen Seufzer, der anzeigte, dass seine Geduld bereits am Ende war. Er strich hörbar über seine Papiere und schob sie raschelnd zusammen.
»Unsere Erfolgsrate in diesem Krankenhaus ist so gut wie in den meisten anderen Hospitälern, wenn nicht sogar besser. Wenn Sie in medizinischen Belangen über meine Erfahrung verfügten , wäre Ihnen klar, dass es bedauerlicherweise nichts Ungewöhnliches ist, wenn eine große Zahl der Patienten nach einem chirurgischen Eingriff stirbt. Das lässt sich nicht vermeiden. Alle ärztliche Kunst der Welt könnte nicht…«
Hester konnte es nicht länger ertragen.
»Wir reden nicht über die ärztliche Kunst, Mr. Thorpe«, sagte sie mit großem Nachdruck. »Alles, was nötig wäre, um zumindest einen Teil des Leidens zu lindern, ist gesunder Menschenverstand! Die Erfahrung hat gezeigt, dass…«
Thorpe schloss entnervt die Augen. »Nicht schon wieder, Miss Nightingale, Miss… Mrs. Monk.« Er machte eine jähe Handbewegung, und die Papiere auf seinem Schreibtisch wirbelten durcheinander. »Ich habe genug Briefe von dieser Frau bekommen, um meine Wände damit zu tapezieren! Sie hat nicht den blassesten Schimmer von den Realitäten des Lebens in England! Sie glaubt, weil sie unter vollkommen anderen Umständen in einem fremden Land gute Arbeit geleistet hätte, könne sie nach Hause kommen und die gesamte Medizin nach ihren eigenen Vorstellungen umkrempeln! Sie macht sich Illusionen, sowohl was den Umfang ihres Wissens betrifft, als auch im Hinblick auf den Grad ihrer eigenen Bedeutung.«
»Es geht hier nicht um die Bedeutung einer einzelnen Person, Mr. Thorpe«, erwiderte Hester und sah ihm dabei direkt in die Augen. »Es geht auch nicht darum, wer den Ruhm einheimst – zumindest sollte es nicht darum gehen. Es geht einzig und allein darum, ob ein Patient wieder gesund wird oder stirbt. Deshalb sind wir hier.«
»Deshalb bin ich hier, Madame!«, sagte er grimmig.
»Weshalb Sie hier sind, ist mir schleierhaft. Ihre Freunde würden zweifellos sagen, dass Sie aus der Sorge um das Wohlergehen Ihrer leidenden Mitmenschen handeln. Ihre Kritiker könnten die Meinung vertreten, dass Sie nur Ihre ansonsten müßige Zeit ausfüllen und sich mit einer Aura von Wichtigkeit umgeben möchten, wie Sie sie allein durch die Führung Ihres Haushalts niemals erlangen könnten.«
Hester kochte vor Wut. Sie wusste genau, dass sie nicht die Fassung verlieren durfte, weil sie damit auch die Auseinandersetzung verloren hätte, und es war durchaus möglich, dass Thorpe das ebenfalls wusste. Obwohl sie ihm so viel Weitsicht im Grunde gar nicht zutraute. Aber so oder so, sie hatte nicht die Absicht, ihm in die Hände zu spielen.
»Es gibt immer Menschen, die andere gern mit einer gehässigen Bemerkung herabwürdigen«, antwortete sie mit dem freundlichsten Lächeln, das sie zu Stande brachte. »Im Allgemeinen entspringt diese Haltung persönlicher Ignoranz und schlechtem Charakter. Ich bin überzeugt davon, dass Sie zu vernünftig sind, um solchen Leuten Beachtung zu schenken. Ich bin hier, weil ich einige praktische Erfahrung in der Pflege von Menschen mit schweren Verletzungen habe, seien es nun Verletzungen durch eine Schlacht oder eine Operation. Ich habe im Verlauf meiner Arbeit einige Methoden erlernt, die bessere Ergebnisse zeitigen als die, die gegenwärtig hier in der Heimat praktiziert werden.«
»Das bilden Sie sich ein«, sagte Thorpe und musterte sie mit einem eisigen Blick. Seine hellbraunen Augen waren groß, lagen aber eine Spur zu tief in den Höhlen. Seine Wimpern hätten den Neid so mancher Frau erregt.
Hester hob die Augenbrauen. »Ist es nicht besser, wenn der Patient überlebt, statt zu sterben?«
Thorpe stand halb von seinem Stuhl auf. Zornesröte überzog
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