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In feinen Kreisen

In feinen Kreisen

Titel: In feinen Kreisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Verlust an Eigenständigkeit, ein Schlafzimmer – und erst recht ein Bett – mit einem anderen Menschen zu teilen. Diese Einschränkung machte ihr mehr zu schaffen, als sie erwartet hatte. Sie war nicht übermäßig anspruchsvoll – das Leben als Krankenschwester machte das unmöglich –, aber dennoch genoss sie die Freiheit, das Fenster ganz nach Belieben zu öffnen oder zu schließen, das Licht zu löschen, wann ihr danach zumute war, und sich in so viele oder so wenige Decken zu hüllen, wie es ihr gefiel. In zu vielen Nächten auf der Krim hatte sie bis zur Erschöpfung und darüber hinaus gearbeitet. Zu oft hatte sie im Sitzen geschlafen, zitternd vor Kälte und zu angespannt, um wirklich Ruhe zu finden. Zu oft war sie des Morgens geweckt worden, obwohl sie sich noch immer vor Müdigkeit kaum aufrecht halten konnte.
    Aber die Wärme und Zärtlichkeit eines Menschen neben sich zu spüren, von dem sie ohne jeden Zweifel wusste, dass er sie liebte, diese Tatsache machte all die kleinen Dinge unwichtig. Sie waren nur Nadelstiche. Sie wusste, dass auch er diese Nadelstiche empfand. Sie hatte in seinem Gesicht Ärger aufflammen sehen, den er sogleich unterdrückte, und er hatte seine Entscheidung rückgängig gemacht, als ihm klar wurde, dass sie rücksichtslos war und er dabei nur an sich dachte. Auch er war Eigenständigkeit und Unabhängigkeit gewohnt.
    Aber er hatte weniger zu verlieren gehabt als sie. Sie lebten in seiner Wohnung in der Fitzroy Street, was natürlich vernünftig war, denn ihr Quartier reichte gerade aus, um ihre Habe unterzubringen und zwischen zwei Anstellungen dort zu schlafen – nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhausdienst wegen Unbotmäßigkeit war sie in die Privatpflege gegangen. Monk baute sich langsam eine gut gehende Praxis als Privatermittler auf, nachdem er bei der Polizei entlassen worden war – ebenfalls wegen Unbotmäßigkeit.
    Es wäre unklug gewesen umzuziehen. Die Menschen wussten, wo sie ihn fanden. Das Haus war günstig gelegen, und die Vermieterin hatte ihnen nur allzu gern ein zusätzliches Zimmer zur Verfügung gestellt, das sie zu einer Küche umgebaut hatten. Denn sie war froh, nicht mehr für Monk kochen und sauber machen zu müssen, eine Pflicht, die sie deshalb übernommen hatte, weil sie befürchten musste, dass er sonst verhungern würde.
    Also lernte Hester mit einiger Mühe, sich häuslich zu betätigen, ein neues Aufgabenfeld für sie, das sie mit möglichst geringem Aufwand zu bewältigen versuchte.
    Ihre wahre Leidenschaft galt jedoch immer noch der Neugestaltung der Krankenpflege. Lady Callandra Daviot teilte ihr Bestreben, weshalb Hester an diesem Morgen hierher gekommen war, um sich einen Bericht über Erfolg oder Misserfolg ihrer jüngsten Bemühungen anzuhören.
    Hinter ihr wurde die Tür geöffnet, und sie fuhr herum.
    Callandra trat ein. Das Haar stand ihr wirr vom Kopf, als wäre sie mit den Fingern hindurchgefahren; ihr Gesicht war vor Zorn verzerrt. Hester brauchte nicht zu fragen, ob sie Erfolg gehabt habe.
    Callandra besaß Würde, Mut und Humor, aber nicht einmal ihre beste Freundin hätte sie anmutig genannt. Trotz aller Anstrengungen ihrer Zofe sahen ihre Kleider immer so aus, als hätte sie nicht das geringste Interesse an ihnen, sondern zöge einfach an, was ihr gerade in die Finger kam. Heute waren es ein grüner Rock und eine blaue Bluse. Im Krankenhaus war es so warm, dass sie ihre Jacke, wie immer diese auch ausgesehen haben mochte, abgelegt hatte.
    »Der Mann ist ein absoluter Idiot! «, schimpfte sie wütend.
    »Wie soll ein Mensch herausfinden, an welcher der hundert Krankheiten ein Patient leidet, wenn er für die Tatsachen direkt vor seiner Nase blind wie ein Maulwurf ist?«
    »Ich weiß es nicht«, gab Hester zu. »Aber es passiert ständig.«
    Die Tür hinter Callandra stand noch immer weit offen. Sie machte auf dem Absatz kehrt und marschierte wieder hinaus. Hester folgte ihr.
    »Wie viele Stunden hat ein Tag?«, fragte Callandra über ihre Schulter hinweg.
    »Vierundzwanzig«, antwortete Hester, als sie das Ende des Korridors erreichten und durch den jetzt leeren Operationssaal gingen. In der Mitte stand der Operationstisch, auf Bänken darum herum lagen Ausrüstungsgegenstände, und auf drei Seiten des Raums befand sich eine abgesperrte Galerie, von der aus Studenten und andere interessierte Personen die Vorgänge beobachten konnten.
    »Genau«, stimmte Callandra ihr zu. »Und wie viel von dieser Zeit kann ein Chirurg

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