In feinen Kreisen
Nachttisch lag ein aufgeschlagenes Buch über Pferderennen. Neben der Kerze auf dem Fenstersims fand sich eine halb geöffnete Streichholzschachtel, und über der Rückenlehne eines Stuhls hing eine modische Weste. Es war das Zimmer eines Mannes, der damit rechnete zurückzukehren.
Monk untersuchte sowohl die Kleidung als auch die Stiefel mit großer Sorgfalt. Es überraschte ihn, von welch guter Qualität sie waren – in einigen Fällen seiner eigenen Kleidung ähnlich. Diese Dinge konnte Treadwell mit Gewissheit nicht vom Lohn eines Kutschers bezahlt haben. Wenn er beim Spiel so viel Geld gewonnen hatte, musste er sehr viel Zeit darauf verwandt haben. Die Wahrscheinlichkeit, dass er über eine andere Einkommensquelle verfügt hatte, schien da erheblich größer zu sein.
Monk erkundigte sich, ob die Kleider vielleicht abgelegte Sachen von Lucius oder Harry Stourbridge waren. Es überraschte ihn nicht zu hören, dass dies nicht zutraf. Solche Sachen gingen an Diener, die erheblich länger im Haus waren, und diese pflegten sie für gewöhnlich nicht weiterzugeben.
So weit es Miriam Gardiner betraf, erfuhr Monk nicht mehr als das, was man ihm bereits erzählt hatte: Sie war nicht gewöhnt an den Umgang mit Dienstboten und behandelte Treadwell daher nicht mit der schicklichen Distanz, aber das galt auch für alle anderen Diener der Stourbridges. Niemand hatte beobachtet, dass sie sich dem Kutscher gegenüber anders benahm als gewöhnlich. Alle Diener sprachen sehr gut von ihr und schienen über die gegenwärtige Situation bekümmert zu sein.
Monk verbrachte den folgenden Tag in Hampstead und Kentish Town, wie er es Lucius gesagt hatte. Er ging meilenweit zu Fuß und stellte Fragen, bis sein Mund trocken und seine Kehle rau war. Er kam erst kurz nach neun nach Hause, als es draußen noch hell war, die Nachmittagshitze jedoch von einem leichten Abendwind gelindert wurde.
Zunächst wünschte er sich nichts sehnlicher, als seine Stiefel auszuziehen und seine müden Füße in einen Eimer mit Wasser zu stellen, aber Hesters Anwesenheit hielt ihn davon ab. Es war keine Beschäftigung, die einen Mann attraktiv erscheinen ließ. Er begrüßte sie freudig und ließ sich dann in der Kühle des Wohnzimmers nieder, ein Glas kalte Limonade neben sich, seine Stiefel noch immer fest geschnürt, und beantwortete ihre Fragen.
»Er hatte einen teuren Geschmack, der den Lohn, den Stourbridge ihm zahlte, bei weitem überstieg. Mindestens um das Dreifache.«
Hester runzelte die Stirn. »Glücksspiel?«
»Spieler gewinnen und verlieren. Er scheint sein Geld ziemlich regelmäßig bekommen zu haben. Aber was noch mehr ins Gewicht fällt, er hatte nur alle zwei Wochen einen freien Tag. Für Glücksspiel in dieser Größenordnung braucht man Zeit.«
Sie sah ihn mit ängstlichem Blick an. Ganz gegen ihre Gewohnheit drang sie nicht weiter in ihn.
Er war überrascht. »Ich frage mich, ob er vielleicht eine Mätresse mit dem nötigen Kleingeld hatte, die ihm teure Geschenke machte«, fuhr er fort. »Aber so wie es aussieht, hatte er selbst das Geld und hat die Sachen auch selbst gekauft. Er gab gern Geld aus, und er hat es keineswegs heimlich getan.«
»Also denkst du, dass er es auf ehrlichem Weg erworben hat?« Ihre Augen weiteten sich.
»Nein… Ich denke, er hatte keine Angst, dass jemand seine Unehrlichkeit enthüllen könnte«, korrigierte er sie. »Das Geld war nicht gestohlen, aber es gibt noch andere unehrenhafte Möglichkeiten…«
»Für einen Kutscher? Was soll das sein?«
Die Antwort lag auf der Hand. Warum sprach sie sie nicht aus?
»Erpressung«, erwiderte er.
»Oh.« Sie sah ihn ruhig an. Er hatte das Gefühl, dass sie ihre Gedanken vor ihm verbarg und dass sie etwas mit dem Thema zu tun hatten, über das sie sprachen. Aber wie konnte sie etwas über Treadwell wissen? Allerdings hatte sie in dem Krankenhaus in Hampstead gearbeitet.
»Es scheint das Naheliegendste zu sein«, sagte er und bemühte sich, seiner Stimme einen gleichgültigen Klang zu geben. »Das oder Diebstahl, wofür er jedoch kaum Zeit gehabt haben dürfte. Er lebte im Haus der Stourbridges, und sie haben keine Diebstähle gemeldet. Er lebte an seinem freien Tag gut, aß teuer, trank, so viel er wollte, besuchte Revuen und las die nächstbeste Frau auf, die ihm gefiel.«
Sie wirkte nicht überrascht, nur traurig.
»Ich verstehe.«
»Tatsächlich?«
»Nein… ich meinte nur, ich kann deiner Argumentation folgen. Es sieht tatsächlich so aus, als
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