Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In feinen Kreisen

In feinen Kreisen

Titel: In feinen Kreisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
eine Aussage. Haben Sie gesehen, wer Treadwell getötet hat? Antworten Sie mir wenigstens mit ja oder nein.«
    »Ja. Aber niemand würde mir glauben, selbst wenn ich spräche… und das werde ich nicht.« Ihre Worte klangen unwiderruflich.
    »Stellen Sie mich auf die Probe!«, bedrängte er sie. »Sagen Sie mir die Wahrheit und lassen Sie mich entscheiden, ob ich Ihnen glaube oder nicht! Wenn Sie unschuldig sind, muss ein anderer den Mord begangen haben, und wir müssen ihn finden! Wenn man ihn nicht findet, werden Sie gehängt!«
    »Ich weiß. Dachten Sie, das wäre mir nicht klar?«
    Er fragte sich, ob sie geistig überhaupt zurechnungsfähig sei, ob sie vielleicht labiler war, als Lucius ahnte, aber der Gedanke verflüchtigte sich rasch wieder.
    »Werden Sie mit Lucius sprechen? Oder mit Major Stourbridge?«, fragte er.
    »Nein!« Sie wich entsetzt zurück und zum ersten Mal hörte er echte Angst in ihrer Stimme. »Nein… das will ich nicht. Wenn Sie mir wirklich helfen wollen, dann fragen Sie mich nicht noch einmal danach.«
    »Das werde ich nicht«, versprach er.
    »Geben Sie mir Ihr Wort darauf?« Sie sah ihn mit eindringlichem Blick an.
    »Ja, das tue ich. Aber ich möchte Sie noch einmal darauf hinweisen, dass niemand Ihnen helfen kann, solange Sie nicht die Wahrheit sagen. Wenn Sie schon nicht mit mir sprechen, würden Sie dann mit einem Anwalt reden, mit jemandem, der gesetzlich verpflichtet ist, Stillschweigen zu bewahren?«
    Ein Lächeln huschte über ihre Züge und verschwand wieder.
    »Es würde keinen Unterschied machen. Es ist die Wahrheit selbst, die verletzt, Mr. Monk, nicht das, was man damit tun kann. Ich danke Ihnen, dass Sie hergekommen sind. Ich bin sicher, Sie haben nur die besten Absichten, aber Sie können nicht helfen. Bitte lassen Sie mich jetzt allein.« Sie wandte sich wieder ab, und er war entlassen.
    Ihm blieb nichts anderes übrig, als sich zu verabschieden. Er stand auf, zögerte noch einen Moment, ohne etwas Konkretes im Sinn zu haben, und rief dann nach dem Gefängniswärter, der ihn hinaus ließ.
    Direkt vor dem Gefängnistor traf er auf Michael Robb. Er sah müde aus, und es erfüllte Monk mit einer seltsamen Genugtuung, dass der Sergeant offensichtlich keinen Triumph über seinen Sieg empfand.
    Sie standen einander auf dem staubigen Fußweg gegenüber.
    »Sie waren bei ihr«, stellte Robb fest.
    »Sie wird nicht mit Ihnen sprechen«, erwiderte Monk. Es war keine Antwort, sondern eine Feststellung. »Sie wird mit niemandem sprechen. Sie will nicht einmal Stourbridge sehen.«
    Robb musterte ihn von Kopf bis Fuß. »Wissen Sie, was passiert ist?«, fragte er mit hochgezogenen Augenbrauen.
    »Nein«, entgegnete Monk.
    Robb schob die Hände in die Taschen und gab sich bewusst lässig, wie um den Gegensatz zu Monk zu unterstreichen. »Ich werde es herausfinden«, versprach er. »Ganz gleich, wie lange ich dafür brauche, ich werde in Erfahrung bringen, was mit Treadwell passiert ist – oder jedenfalls so viel, um Anklage zu erheben. Es muss etwas in seiner oder in ihrer Vergangenheit geben, das zu dem Mord geführt hat.« Er ließ Monk nicht aus den Augen, als wolle er aus seiner Reaktion herauslesen, was der andere Mann wusste.
    »Das müssen Sie wohl«, pflichtete Monk ihm bei. »Im Augenblick haben Sie nicht mehr als einen Verdacht – nicht genug, um jemanden dafür zu hängen.«
    Robb zuckte unmerklich zusammen. Es war ein hässliches Wort, eine hässliche Realität. »Ja, ich weiß.« Seine Stimme war sehr leise. »Treadwell mag von Grund auf schlecht gewesen sein und nach allem, was ich weiß, hat er einiges auf dem Kerbholz gehabt und etwas in der Art herausgefordert, aber an dem Tag, an dem wir zulassen, dass Leute auf der Straße das Recht selbst in die Hand nehmen, an dem Tag verlieren wir das Recht, uns zivilisiert zu nennen.« Er brachte seine Worte mit großer Überzeugung vor und forderte Monk förmlich heraus, ihn auszulachen, aber gleichzeitig erfüllten sie ihn auch mit Stolz.
    »Ich werde Ihnen nicht im Weg stehen«, antwortete er ruhig und bestimmt. »Keiner von uns kann sich private Rachefeldzüge leisten.« Er begleitete seine Worte mit einem Lächeln und fragte sich, ob Robb auch nur die leiseste Ahnung davon hatte, wie nahe er der Wahrheit kam.
    »Sie wäre besser beraten, wenn sie uns alles erzählte«, meinte Robb mit einem Stirnrunzeln. »Können Sie sie nicht dazu überreden? Wenn sie es nicht tut, werde ich ihr ganzes Leben unter die Lupe nehmen müssen,

Weitere Kostenlose Bücher