In feinen Kreisen
ihre Freunde, ihren ersten Ehemann… alles.«
»Das ist eines der Probleme bei Mordfällen.« Monk nickte.
»Sie erfahren mehr über die Beteiligten, als Ihnen lieb ist, nicht nur die Geheimnisse, die mit dem Verbrechen zusammenhängen, sondern auch all die Dinge, die nichts damit zu tun haben. Unschuldigen Menschen wird ihre Maske heruntergerissen. Man muss alles in Erfahrung bringen, was das Opfer getan haben könnte, um zu verstehen, was zu diesem Mord geführt hat. Natürlich werden Sie Treadwell kennen lernen… und Sie werden vielleicht Mitleid mit ihm empfinden und ihn zugleich hassen.«
»Haben Sie viele Mordfälle aufgeklärt?«, fragte Robb. Es war keine Herausforderung, in seiner Miene lagen Neugier und Respekt.
»Ja«, antwortete Monk. »Einige Morde konnte ich nachvollziehen, andere waren so kaltblütig, dass sie mir Angst machten.«
Robb musterte ihn eindringlich. Sekundenlang blieben beide Männer reglos an ihrem Platz stehen, ohne den Straßenlärm um sich herum wahrzunehmen.
»Ich denke, dieser Mord wird in die erste Kategorie fallen«, bemerkte der Sergeant schließlich. »Ich wünschte, es wäre anders. Ich hoffe keinen Schandfleck in Mrs. Gardiners Leben zu finden, mit dem Treadwell sie erpresst hat und mit dem er ihr Glück zerstören wollte. Aber ich muss trotzdem danach suchen. Und wenn ich etwas in der Art finde, werde ich es dem Gericht vorlegen.«
Monk dachte, wie jung der Sergeant doch war. Und er fragte sich, was er jetzt tun würde, wäre er an Robbs Stelle.
Aber das war er nicht. Er hatte kein weiteres Interesse an dem Fall. Seine Arbeit war getan, wenn auch nicht sehr zufrieden stellend.
»Natürlich werden Sie so handeln«, antwortete er. »Und nun auf Wiedersehen, Sergeant Robb.«
Robb blinzelte in der Sonne. »Auf Wiedersehen, Mr. Monk. Es war interessant, Sie kennen zu lernen.«
Er sah so aus, als wolle er noch etwas hinzufügen, aber dann änderte er seine Meinung und ging an ihm vorbei zum Gefängnistor.
Monk hatte keine weiteren Verpflichtungen in dem Fall, nicht einmal moralische. Miriam hatte jede Aussage verweigert. Er konnte nichts weiter tun.
Monk saß an seinem Schreibtisch und verfasste Briefe, aber er war nur mit halbem Herzen bei der Sache und daher hocherfreut, als es an der Tür läutete. Erst als er öffnete und sah, dass Lucius Stourbridge sein Besucher war, ließ die Freude nach. Konnte er irgendwelche tröstenden Worte sagen, die sein Mitleid ausdrückten? Lucius hatte ihn beauftragt, Miriam zu finden, und das war ihm gelungen, auch wenn das Ergebnis eine Katastrophe war.
Lucius wirkte erschöpft, er hatte dunkle Ringe unter den Augen und die Blässe unter der olivfarbenen Haut verlieh ihm ein fahles Aussehen.
»Ich weiß, Sie haben bereits alles getan, worum ich Sie gebeten habe, Mr. Monk«, begann er, noch bevor Monk ihn hereinbitten konnte. »Und dass Sie bereit waren, Mrs. Gardiner zu helfen, ja sogar ihren Aufenthaltsort vor der Polizei zu verbergen. Aber man hat sie trotzdem gefunden und sie verhaftet…« Seine Stimme brach, und er musste sich räuspern, bevor er fortfahren konnte, »… wegen des Mordes an Treadwell.« Er schluckte. »Ich weiß, dass sie so etwas niemals tun könnte. Bitte, Mr. Monk, ich zahle jeden Preis, ich gebe Ihnen alles, was ich habe, aber bitte, helfen Sie mir, das zu beweisen!« In seinem Blick spiegelte sich innere Qual.
»Es geht nicht um die Bezahlung, Mr. Stourbridge«, antwortete Monk bedächtig. »Bitte, treten Sie ein. Es geht um die Frage, was möglich ist und was nicht. Ich habe bereits mit Mrs. Gardiner gesprochen«, fuhr er fort, während er Lucius ins Wohnzimmer führte. »Sie will mir nicht sagen, was geschehen ist, nur dass sie nicht Treadwells Mörderin ist.«
»Natürlich ist sie das nicht«, protestierte Lucius. »Wir müssen sie retten, bevor man sie…« Er konnte es nicht ertragen, das Wort auszusprechen. »Wir müssen sie verteidigen. Ich… ich weiß nicht, wie oder…« Seine Stimme wurde leiser. »Aber ich kenne Ihre Reputation, Mr. Monk. Wenn irgendein Mensch in London uns helfen kann, dann sind Sie es.«
»Wenn Sie meinen Ruf kennen, dann wissen Sie auch, dass ich die Wahrheit nicht vertuschen werde, wenn ich sie herausfinde«, warnte Monk ihn. »Auch dann nicht, wenn sie nicht nach Ihrem Geschmack ist.«
Lucius reckte das Kinn vor. »Möglich, dass sie nicht nach meinem Geschmack ist, Mr. Monk, aber sie wird nicht darin bestehen, dass Miriam Treadwell ermordet hat. Es war jemand
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