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In fremderen Gezeiten

In fremderen Gezeiten

Titel: In fremderen Gezeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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Navy.
    » Steuerbordgeschütze Feuer!«, donnerte Schwarzbart, und die Adventure schaukelte, als die Geschütze losgingen, die Morgenluft mit Wolken bitteren Pulverrauchs schwängerten und Schwärme lärmender Seevögel aufflattern ließen.
    Der Rauch trieb westwärts zum Inlet davon, und Schwarzbart lachte angesichts der hilflos dümpelnden Marineschaluppe, deren Rigg zerfetzt, deren Reling und Schanzborde ein Chaos zertrümmerten Holzes waren.
    » Sollen wir jetzt die Schoten wieder dichtholen?«, flehte Richards mit einem Blick zum Strand von Ocracoke, der mit ablaufendem Wasser langsam näher kam.
    Schwarzbart sah in die gleiche Richtung. » Ja«, sagte er nach einem Moment nachdenklich, denn es war zu spät. Der Wind, bestenfalls launisch zu nennen, war erstorben, und obwohl die Piraten jeden Quadratfuß Tuch setzten wie hungrige Fischer, die ihre Netze ausbreiteten, trieb die Adventure ab.
    Die Schaluppe nördlich von ihnen war wieder flott geworden, die Besatzung hatte Riemen ausgebracht und ruderte auf die Adventure zu.
    Mit einem ganz sanften Ruck lief die Adventure auf Grund.
    » Beeilt euch mit dem Nachladen der Steuerbordgeschütze!«, rief Schwarzbart. » Ihr da«, fügte er an eine Gruppe von Piraten gewandt hinzu, die verzweifelt Fässer und Ketten über Bord warfen, » lasst das sein, Ihr bringt sie nicht schneller hoch, als der Ebbstrom sie aufsetzt! Macht stattdessen Pistolen und Entermesser klar.«
    Die noch fahrtüchtige Marineschaluppe kam stetig näher. » Erst feuern, wenn ich es sage«, befahl Schwarzbart.
    » Richtig«, sagte Richards, der sein Entermesser gezogen hatte und es mit gestrecktem Arm langsam in einer Aufwärmübung kreisen ließ. Jetzt, da keine Hoffnung mehr bestand, den Kampf zu vermeiden, war der größte Teil seiner Angst verschwunden. Er grinste Schwarzbart an. » Ich hoffe, so knapp macht Ihr es nie wieder.«
    Der riesige Pirat drückte Richard kurz die Schulter. » Nie wieder so knapp«, erwiderte er leise. » Das verspreche ich dir.«
    Die Navy-Schaluppe war jetzt schon so dicht herangekommen, dass Schwarzbart nicht nur das Knarren der Riemen in den Dollen, sondern sogar das Ächzen der Ruderer hören konnte. Er wusste, dass der Kapitän der Schaluppe bald befehlen würde, seine Kanonen sprechen zu lassen, und als die Schaluppe noch nicht ganz gleichauf mit der Adventure war, rief Schwarzbart: » Feuer.«
    Wieder donnerten die Steuerbordgeschütze der Adventure und zerfurchten das Deck der Schaluppe mit Schrot. Von den Füßen gerissene Leiber wirbelten in dem Schauer von Splittern und Blut herum und wurden weggefegt wie Abfall, und die Piraten jubelten – aber Schwarzbart, der am Bugspriet der Adventure stand, sah, dass der junge Offizier, der das Schiff kommandierte, eilig all seine noch gehfähigen Matrosen unter Deck trieb.
    » Jetzt die Granaten!«, brüllte Schwarzbart eifrig, sobald der letzte unverletzte Matrose auf der Schaluppe im Niedergang verschwunden war. Die Piraten machten sich munter daran, die aus den mit Schrot und Schießpulver gefüllten Flaschen heraushängenden Lunten anzuzünden und die Flaschen, sobald die Flammen den Flaschenhals erreichten, hinüber auf das Deck der Navy-Schaluppe zu werfen. Mit einem Stakkato lauter Knalle explodierten die selbstgebauten Granaten, schleuderten in alle Richtungen Schrot, zerrissen die an Deck liegenden Leichen und töteten die Verletzten, die sich nicht nach unten hatten retten können.
    » Sie sind alle tot, bis auf drei oder vier«, brüllte Schwarzbart. » Wir entern und schneiden sie in Stücke.«
    Das Entern erwies sich als überaus einfach, denn der Gezeitenstrom zog die Schaluppe näher an sie heran, und Schwarzbart brauchte nur auf das schrotgefegte Deck hinüberzuspringen. Im gleichen Augenblick wurde auf der Schaluppe das Luk des Niedergangs aufgestoßen, und der kommandierende Offizier, seiner Uniform nach ein Leutnant zur See, stürmte auf Deck. Schwarzbart bleckte die Zähne zu einem Grinsen, das so viel von Wiedererkennen und Gruß eines alten Bekannten hatte, dass der Leutnant sich tatsächlich umblickte, um festzustellen, welchen alten Freund der Piratenkönig da wohl entdeckt hatte.
    Aber hinter ihm waren nur seine eigenen Männer, die die Leiter hinaufkletterten, die achtzehn – von ursprünglich fünfunddreißig –, die noch ein Schwert schwingen oder eine Pistole abfeuern konnten. Die Piraten sprangen und kletterten direkt hinter ihrem Anführer an Bord, und der Leutnant und seine Männer

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