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In fremderen Gezeiten

In fremderen Gezeiten

Titel: In fremderen Gezeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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offenkundig, dass der Piratenkönig endlich das Ausmaß ihrer Gefahr begriff.
    Aber Schwarzbart erinnerte sich nur daran, was er über Bonnetts Gefangennahme gehört hatte. Ja, bei dem Baron, dachte er zornig, abgesehen von der Tatsache, dass es hundertfünfzig Meilen südlich von hier passiert ist, war es fast dasselbe gewesen.
    Bonnett hatte ihm seine Untergangsszene gestohlen!
    Bonnett hatte sich nicht nur für die Rolle disqualifiziert, die er für ihn vorgesehen hatte, und zwar so subtil, dass er es nicht bemerkt hatte, bis es zu spät gewesen war, indem er sich nämlich hatte einfangen lassen, sondern dieser Mann hatte sich auch den von ihm, Schwarzbart, lange vorausgeplanten Abgang zu eigen gemacht! Und die beiden Magier, die er ausgeschickt hatte, damit sie ihn von dieser Insel holten, waren ohne ihn und obendrein verletzt zurückgekehrt … und am vergangenen Sonntag, genau um Mittag, hatte er aufgehört, Bonnett geistig wahrzunehmen. Anscheinend hatte Bonnett ein Schlupfloch gefunden, durch das er ihm hatte entfliehen können – das Loch in der Schlinge des Henkerstricks.
    » Wir werden gleich in Rufweite sein«, krächzte Richards, das Gesicht glänzend von Schweiß trotz der Kühle, die seinen Atem als Dampf sichtbar machte.
    » Jetzt in Rufweite«, sagte Schwarzbart. Er drückte seine massigen Schultern durch und schritt langsam und gemessen zum Bug, wo er einen Fuß auf den Klüverbaum setzte. Er füllte seine Lungen, dann rief er zu den Marineschaluppen hinüber: » Verdammt sollt ihr sein, ihr Schurken, wer seid ihr? Und woher kommt ihr?«
    Auf dem Deck der nächsten Schaluppe herrschte Aufruhr, dann stieg die britische Schiffsflagge flatternd zur Mastspitze empor. » Wie Ihr an unseren Farben seht«, wurde zurückgerufen, » sind wir keine Piraten.«
    Beinahe förmlich, als sei dies ein rhetorischer Austausch in einer sehr, sehr alten Litanei, rief Schwarzbart: » Kommt an Bord, damit ich sehe, wer Ihr seid.«
    » Ich kann mein Boot nicht entbehren«, brüllte der Navy-Kapitän, » aber ich werde an Bord Eures Schiffes kommen, sobald ich kann, mit meiner Schaluppe!«
    Schwarzbart lächelte und schien sich zu entspannen. Er rief zurück: » Verdammt will ich sein, wenn ich Euch Pardon gebe oder Pardon von Euch annehme.«
    » Wir erwarten keinen, noch bieten wir ihn an!«
    Schwarzbart drehte sich zu Richards um. » Ich würde sagen, das ist klargestellt«, bemerkte er. » Hisse unsere Fahne und kapp das Tau – wir gehen ab.«
    » Aye, aye, Käpten«, antwortete Richards. » Die Beute lassen wir zurück?«, fügte er hinzu und zeigte auf das gekaperte Handelsschiff.
    » Sicher, die Beute hat mir nie etwas bedeutet.«
    Das vordere der Marineschiffe wendete nach Norden, augenscheinlich in der Absicht, eine Schleife zu fahren und Schwarzbart jede Flucht nach Osten abzuschneiden, aber einen Moment später glitt Schwarzbarts Schiff, die Adventure, vor dem Wind über die glatte Oberfläche des Pamlicosundes nach Westen und zielte gerade wie ein Pfeil zwischen der anderen Marineschaluppe und der Küste der Insel Ocracoke hindurch zur gleichnamigen Durchfahrt in die offene See dahinter. Jeder Mann an Bord der Adventure, mit Ausnahme von Schwarzbart, hielt den Atem an, denn das Wasser war hier kaum mehr als sechs Fuß tief, und der Ebbstrom hatte bereits eingesetzt. Mehrere fischten sogar Münzen aus ihren Taschen und warfen sie über die Reling – die Sonne hatte den Buckel der Insel noch nicht überstiegen, und die Münzen fielen glanzlos in das rauchgraue Wasser.
    Richards schaute nach Norden, zu der Schaluppe, die sie angerufen hatten. Er lachte leise. » Sie sind wieder auf Grund gelaufen!«, flüsterte er.
    Schwarzbart, der plötzlich sehr müde war, zog eine seiner Pistolen und sagte: » Segel los. Wir werden diesen Burschen eine Breitseite verpassen.«
    Richards wirbelte zu ihm herum. » Was? Wir haben es geschafft, wir entkommen ihnen, wenn wir …«
    Schwarzbart hob die Pistole und stieß Richards die Mündung in den Mund. » Segel los und Steuerbordgeschütze klarmachen, verdammt!«
    » Aye!«, sagte Richards mit einer Stimme, die beinahe ein Schluchzen war, und wandte sich um, um den Befehl weiterzugeben. Die meisten der Männer rissen überrascht die Augen auf, aber sie sahen die Pistole, und Hands’ Rückzug ins Privatleben war noch immer frisch in ihrer aller Gedächtnis, daher gehorchten sie, und die Adventure verlor Fahrt und glitt mit lose flatternden Segeln neben die Schaluppe der

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