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In fremderen Gezeiten

In fremderen Gezeiten

Titel: In fremderen Gezeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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Schwarzbart sich aufhalte und eine Art Streitmacht zu seiner Gefangennahme organisiert habe. Israel Hands hatte sofort begonnen, Pläne zu schmieden, diesen Ankerplatz am Ocracoke-Inlet aufzugeben.
    Schwarzbart hatte sich vorgebeugt, das Gesicht ausdruckslos im Lampenlicht, und die Becher auf dem rohen Holztisch nachgefüllt. » Entscheidest du, was wir tun, Israel?«, hatte er gefragt.
    » Wenn du es nicht tust, Ed, dann ja, dann werde ich es tun«, hatte Hands wohlgelaunt erwidert. Die beiden Männer waren schon in den Freibeutertagen miteinander gesegelt, und dann wieder als Piraten unter dem alten Bukanier-Admiral Ben Hornigold, und Israel Hands wagte es, mit Schwarzbart vertraulicher zu sein als irgendjemand sonst. » Warum? Willst du bleiben und mit der Adventure den Kampf aufnehmen?« Er hatte verächtlich an die niedere Decke und die engen Wände geklopft. » Sie ist nichts als eine verdammte Schaluppe, Mann, kaum mehr als ein Schildkrötenboot! Lass uns zum Versteck der Queen Anne’s Revenge fahren und sie wieder auf See bringen! Zur Hölle mit diesem Herumkriechen zwischen Untiefen und Brandung – ich will wieder ein richtiges Deck unter den Füßen haben, das auf einer richtigen See tanzt.«
    Und bewegt von einer plötzlichen Welle der Zuneigung zu seinem loyalen alten Schiffskameraden hatte Schwarzbart impulsiv beschlossen, einen Gnadenakt zu vollziehen, der niemals als ein solcher erkannt werden würde. » Ich werde mich darum kümmern«, erklärte er leise, » dass du es erleben wirst, wieder zu segeln, Israel.«
    Dann hatte er unter dem Tisch zwei Pistolen gezogen, sich vorgebeugt, die Lampenflamme ausgeblasen, die Pistolen gekreuzt und abgefeuert.
    Die beiden gleichzeitigen Explosionen blitzten als gelber Lichtschein durch die Risse und Löcher der Tischplatte, und Israel Hands wurde aus seinem Stuhl gerissen und gegen die Kabinenwand geworfen. Als das folgende Geschrei und Gedränge sich weit genug gelegt hatte, dass jemand daran dachte, die Lampe wieder anzuzünden, sah Schwarzbart, dass er perfekt gezielt hatte – eine Kugel war, ohne Schaden anzurichten, ins Deck gefahren, und die andere hatte aus Israel Hands’ Knie blutigen Brei gemacht.
    Die Männer in der engen Kajüte, die jetzt alle aufgesprungen waren, hatten Schwarzbart voller Furcht und Erstaunen angestarrt, aber Israel Hands, der an die Wand gekauert versuchte, den Blutstrom aus seinem zerstörten Bein zu stillen, schaute seinen alten Gefährten an, mit einer Mischung aus Kränkung wegen des Verrats und Schmerz in seinem plötzlich ausgezehrten Gesicht. » Warum … Ed?«, brachte er mit zusammengebissenen Zähnen hervor.
    Außerstande, ihm die Wahrheit zu sagen, hatte Schwarzbart lediglich schroff erwidert: » Hölle – wenn ich jetzt nicht einen von euch erschossen hätte, dann hättet ihr vergessen, wer ich bin.«
    Hands war am nächsten Morgen von Bord gebracht worden, fiebrig und voller Rachegelübde. Aber, so dachte Schwarzbart jetzt, als er den Niedergang zum Batteriedeck hinabstieg, wenigstens wirst du morgen noch am Leben sein, Israel – du bist nicht hier.
    » Da ist noch eine«, sagte er zu Miller, der bereits ein Dutzend Flaschen mit Schrot und Pulver gefüllt, mit einer Lunte versehen und sorgfältig auf eine Decke gelegt hatte. » Sind wir dann bald so weit?«
    Miller grinste und verzerrte dabei sein ohnehin vernarbtes Gesicht noch mehr. » Wann immer du es sagst, Käpten«, erwiderte er glücklich.
    » Schön.« Mit einem schwachen Echo des Gefühls, das er für Israel Hands empfunden hatte, wünschte Schwarzbart sich einen Moment lang, er hätte irgendeinen Grund finden können, seine ganze Mannschaft wegzuschicken, um sich allein Spotswoods Piratenmördern zu stellen. Aber je mehr Blut heute vergossen wurde, umso besser würde seine Magie funktionieren, und – die Gefühle einmal außer Acht gelassen – jedes Missgeschick für andere, das ihm zugute kam, war ein akzeptabler Handel. » Kein Pardon«, erklärte er. » Heute soll es in der See mehr Blutsalz als Meersalz geben, hm?«
    » Verdammt richtig«, stimmte Miller zu und kicherte, während er Pulver durch einen Trichter in die neue Flasche schüttete.
    » Verdammt richtig«, wiederholte Schwarzbart.
    » Dort hinten liegen Luntenschnüre, Käpten«, bemerkte Miller. » Die Sonne geht auf, und ich schätze, du wirst sie bald eingeflochten haben wollen.«
    » Nein«, entgegnete Schwarzbart nachdenklich, » ich denke nicht, dass ich heute welche tragen werde.«

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