Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In fremderen Gezeiten

In fremderen Gezeiten

Titel: In fremderen Gezeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
Vom Netzwerk:
mysteriösen Reise nach Florida? Wie war es denn so?«
    Shandy machte eine weit ausholende Armbewegung. » Oh … höllisch, höllisch. Verrat, Schwertkämpfe, Männer, die über die Planke gehen mussten, Seeschlachten … weglose Sümpfe, schreckliche Fieber, kannibalische Kariben, die uns auf den Fersen waren …« Er hielt inne, denn der Fähnrich errötete und runzelte die Stirn.
    » Ihr braucht mich nicht zu verspotten«, blaffte der Junge.
    Shandy blinzelte; er erinnerte sich nicht genau daran, was er gesagt hatte. » Was meint Ihr?«
    » Nur weil ich neu hier bin, bedeutet das nicht, dass ich gar nichts weiß. Ich weiß, dass die Spanier die Kariben vor zweihundert Jahren ausgerottet haben.«
    » Oh.« Shandy zog konzentriert die Brauen zusammen. Wo hatte er von den Kariben, den karibischen Indianern gehört? » Oh, das wusste ich nicht. Hier, erlaubt mir, Euch einen Rum zu spendieren, ich wollte Euch nicht … nicht …«
    » Ich darf nicht in Uniform trinken«, unterbrach ihn der Fähnrich, obwohl er besänftigt schien.
    » Dann werde ich Euren trinken.« Shandy leerte seinen Becher und stellte ihn wieder auf den Tisch. Der Mann hinter dem Tisch füllte nach und machte einen weiteren Strich auf seinem Kerbholz.
    » Es hat wirklich den Anschein, als hätte ich die großen Tage der Piraterie versäumt«, seufzte der Fähnrich. » Davies, Bonnett, Schwarzbart, alle tot, Hornigold und Shandy haben die Begnadigung angenommen – obwohl es einen Neuen gibt. Kennt Ihr Ulysse Segundo?«
    » Nein«, antwortete Shandy, während er sorgfältig seinen Becher wieder ergriff. » Eleganter Name.«
    » Nun, gewiss. Er hat einen großen Dreimaster namens Ascending Orpheus, Aufsteigender Orpheus, und er hat in den letzten paar Monaten Dutzende von Schiffen gekapert. Er ist angeblich der Blutdurstigste von allen – die Leute haben solche Angst vor ihm, dass sie lieber ins Meer springen und ertrinken, als seine Gefangenen zu werden!«
    » Dann müssen sie ja ziemliche Angst haben«, räumte Shandy nickend ein.
    » Es gibt alle möglichen Geschichten über ihn«, fuhr der Fähnrich eifrig fort, dann hielt er inne. » Natürlich glaube ich die meisten davon nicht. Trotzdem, viele scheinen sie zu glauben. Sie sagen, er könne den Wind aus Euren Segeln hinaus und in seine hinein pfeifen, und dass er sogar im dichtesten Nebel navigieren und Schiffe überfallen könne, und wenn er ein Schiff kapert, so heißt es, nehme er nicht nur alles Gold und allen Schmuck, sondern auch die Leichen sämtlicher Seeleute, die er bei der Kaperung getötet hat! Mit Getreide, Leder oder Werkzeugen gibt er sich nicht ab – es heißt, er nehme nur echte Schätze, obwohl die Leute sagen, er wisse vor allen anderen Dingen frisches Blut zu schätzen und habe manchmal ganze Mannschaften ausbluten lassen. Ein Kapitän, der sein Schiff an ihn verloren, aber überlebt hat, sagt, dass im Rigg der Orpheus Leichen gearbeitet hätten, offensichtlich Leichen im Zustand der Verwesung – aber eine von ihnen hätte geredet!«
    Shandy lächelte. » Und was hatte sie zu sagen?«
    » Nun … ich glaube das natürlich nicht … aber der Kapitän schwor, diese eine Leiche hätte wieder und wieder gesagt: ›Ich bin kein Hund‹ – he, Vorsicht!«, fügte er wütend hinzu, denn Shandy hatte seinen Becher fallen lassen, und dem Jungen war Rum auf die Uniformhosen gespritzt.
    » Wo wurde er zuletzt gesehen?«, fragte Shandy hastig, » Und wann?«
    Der Fähnrich blinzelte überrascht angesichts dieses plötzlichen, intensiven Interesses, das so untypisch für den umgänglichen Mann mit den verschlafenen Augen war, der kein anderes Ziel im Leben gehabt zu haben schien, als der Trunkenbold der Siedlung zu sein. » Warum, ich weiß nicht, ich …«
    » Denkt nach!« Shandy packte den jungen Mann am Kragen seiner Uniform und schüttelte ihn. » Wo und wann?«
    » Ähm – in der Nähe von Jamaika, vor der Montego Bay – vor nicht ganz einer Woche!«
    Shandy stieß ihn von sich, drehte auf dem Absatz um und sprintete zum Ufer. » Skank!«, brüllte er. » Skank, verdammt, wo – da bist du ja. Komm her!«
    Der junge Ex-Pirat trottete unsicher auf ihn zu. » Was ist denn los, Jack?«
    » Die Jenny läuft heute noch aus, am Nachmittag. Trommle so viele Männer zusammen, wie du kannst – und schaff Vorräte herbei und bring sie an Bord.«
    » Aber … Jack, Venner wird bis Januar warten, bevor er sich mit Charlie Vane zusammentut …«
    » Zum Teufel mit Venner. Habe ich je

Weitere Kostenlose Bücher