In fremderen Gezeiten
selbst sprechen wollen.«
» Nachlassverwalter?« Shandys Magen wurde kalt. » Ist er – ist Sebastian Chandagnac tot?«
» Das wusstet Ihr nicht? Tut mir leid. Ja, er hat irgendwann Mittwochnacht Selbstmord begangen. Sein …«
» Diesen letzten Mittwoch?«, unterbrach Shandy den Mann und hatte Mühe, nicht loszuschreien. » Vor drei Tagen?«
» Die Haushälterin hat seine Leiche am Donnerstagmorgen gefunden.« Der Schreiber zuckte die Achseln. » Geschäftliche Rückschläge, wie es scheint. Es heißt, er habe alles verkaufen müssen und hätte immer noch viele Schulden hinterlassen.«
Shandys Gesicht fühlte sich taub an, als hätte er zu viel getrunken. » Ich … habe gehört, er sei ein … Spekulant gewesen.«
» Genau, Monsieur.«
» Dieser Nachlassverwalter. Wo kann ich ihn finden?«
» Zu dieser Stunde wird er wahrscheinlich auf der Terrasse des Vigneron einen Brandy nehmen. Er ist ein kleiner Mann mit vorstehenden Zähnen. Sein Name ist Lapin, Georges Lapin.«
Shandy fand M. Lapin an einem Tisch mit Blick auf den quirligen Hafen, und nach der Anzahl von Untertassen vor ihm zu urteilen, vermutete er, dass er bereits eine ganze Weile dort saß.
Der kleinere Mann zuckte heftig zusammen, als er ihn sah, dann entschuldigte er sich und nahm Shandys Angebot, ihm einen weiteren Brandy auszugeben, an.
» Ihr seid der Nachlassverwalter, höre ich, des chandagnacschen Besitzes«, begann Shandy, nachdem er sich einen Stuhl herangezogen und Platz genommen hatte. » Ähm, zwei Brandys, bitte«, fügte er an den Kellner gewandt hinzu, der ihm halb argwöhnisch an Lapins Tisch gefolgt war.
» Ihr seid ein Verwandter Sebastians«, stellte Lapin fest.
» Ja«, gab Shandy zu.
» Es besteht einige Ähnlichkeit – für einen Moment habe ich Euch für ihn gehalten.« Er seufzte. » Nachlassverwalter, ja, das bin ich. Obwohl es, wie der Zufall es will, nichts zu verwalten gibt – hm? –, und ich tue nichts anderes, als verschiedene Gläubiger aufeinanderzuhetzen, damit sie sich streiten können. Ohne unser Wissen, das Wissen seiner Freunde, hat Sebastian sich an den Bettelstab gebracht.« Er griff nach seinem Brandy, sobald der Kellner ihn hingestellt hatte, und leerte ihn mit einem Schluck, wie zur Demonstration von Sebastian Chandagnacs Verschwendungssucht.
» Noch einen für M. Lapin, bitte«, sagte Shandy zu dem Kellner. Dann wandte er sich wieder an Lapin und fragte: » Und er ist tot? Bestimmt?«
» Ich habe den Leichnam selbst gesehen, Monsieur Chandagnac. Wie seltsam es ist, einen anderen so zu nennen! Er hatte hier nämlich keine Verwandten. Ja, er hat eine Schrotpistole mit Pulver und mit allem Gold und allen Juwelen, die er noch besaß, geladen.« Lapin legte die Hände aneinander. » Nicht viel als Vermögen, aber als Schrotladung unübertrefflich. Und dann hat er die Waffe gehoben, sodass die glockenförmige Mündung einen Fuß von seinem Gesicht entfernt war, und einen letzten Blick, dürfen wir wohl vermuten, auf das geworfen, was von seinem Vermögen noch übrig war, bevor er sich dieses Vermögen in sein Gehirn gejagt hat! Ah, es war poetisch, in gewisser Weise. Wenn auch in einem pragmatischen Sinne schmutzig natürlich – alles, was von seinem Kopf übrig war, befand sich danach unten im Garten vor seinem Schlafzimmerfenster. Armer Sebastian! – Ich bin mir sicher, dass die einheimische Gendarmerie mit dem größten Teil der … Munition davonspaziert ist.«
Dann fiel Shandy wieder ein, wo er den Namen Lapin gehört hatte – Skank hatte gesagt, dass die größten Hehler und Händler auf Haiti, die mit den Piraten zusammenarbeiteten, » Lapin« und » Shander-knack« seien.
» Ich glaube zu verstehen, warum sie es wie einen Selbstmord haben aussehen lassen«, meinte Shandy nachdenklich.
» Ich bitte um Verzeihung«, erwiderte Lapin, » es haben aussehen lassen? Es stand außer Frage …«
» Nein nein«, unterbrach Shandy hastig, » denkt genau das weiterhin, ich will Euch gewiss nicht irgendetwas erzählen, das Ihr nicht zu wissen braucht. Ihr seid nicht in Gefahr. Ich nehme an, Ihr hattet niemals irgendwelche Geschäfte mit …«, er beugte sich vor und sprach leise über die Brandys hinweg, » … Piraten.«
Lapins rundliches Gesicht erbleichte tatsächlich im Abendlicht. » Piraten?«
Shandy nickte. » Man hat einen englischen Gouverneur nach New Providence geschickt, dem Heimathafen der Piraten. Jetzt töten die Piraten alle respektablen Kaufleute, mit denen sie früher
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